: Ein toleranter Perfektionist
■ Gesichter der Großstadt: Berlins neuer Protokollchef Bernd Fischer will Freiheit und Individualität gewährleistet sehen, obwohl er sie nie für sich einfordern würde
Wenn sich Bernd Fischer die schwarzen, ohnehin tadellos sitzenden Socken sorgfältig hochziehen möchte und einen unauffälligen Kontrollblick auf seine blitzblanken schwarzen Schuhe wirft, zeigt er sich, wie er sich selbst beschreibt: „Ich habe einen Hang zur Perfektion.“ Offen und direkt sieht er sein Gegenüber durch die dezente Brille mit dünnem Goldgestell an, betont noch mal: „Detailtreue ist mir wichtig.“ Seinen Chef wird's freuen, denn Bernd Fischer ist neuer Berliner Protokollchef.
„Eigentlich bin ich Leiter der Abteilung Protokoll und Auslandsbeziehungen“, beschreibt der 43jährige seine Tätigkeit präziser als sein Bürostempel, auf dem der zweite Aufgabenbereich keinen Platz gefunden hat. Dabei hat der Neuberliner in den auswärtigen Beziehungen seine berufliche Heimat. Als Diplomat war er in Tokio, im Auswärtigen Amt, bei der UNO in New York und der KSZE in Wien. Auf Bitte von Kanzler Kohl koordinierte er danach die internationalen Kontakte der CDU, „ich bin eben ein Konservativer“. Stets habe er sich dabei voll und ganz seiner Arbeit verschrieben, sagt Fischer, der den Begriff „Job“ vermeidet. „Ob mich dabei jemand mochte oder nicht“ sei nie eine entscheidende Frage gewesen, auch im neuen Amt zählt für ihn nur die Aufgabe: „Man braucht die Bereitschaft, sich zu verleugnen, das ist ganz wichtig.“
So streng ist Berlins neuer Organisator von Empfängen für Staatsbesucher vor allem mit sich selbst, innerhalb seines Stabes will er „auf keinen Fall Jasager, mein Ziel ist kooperativer Führungsstil“. Wenn er eine Entscheidung treffe – und während er das sagt, läßt er keinen Zweifel daran, daß seiner Anweisung dann exakt Folge zu leisten ist –, wolle er „im Wissen aller Kenntnisse und Widersprüche“ sein. Die Möglichkeit anderer Meinungen findet Bernd Fischer notwendig: „Daß man bei uns sein Leben frei gestalten kann und frei atmen, das ist mir wichtig. Der Gedanke, daß das in der DDR nicht ging, war mir immer unerträglich.“ Er gehöre der Zeit der 68er an, sagt er und läßt dabei mehr als offen, ob er damals mit auf die Straße ging: „Da konnte man nach London trampen und auf dem Picadilly Circus rumsitzen, das war den Gleichaltrigen im Osten versagt.“ Wenn er früher bei Fahrten nach Ost-Berlin „die Menschen mit ihren Kunstlederjacken“ gesehen habe, „dann hat mir das immer furchtbar wehgetan. Aber schlimmer als die Jacken war natürlich, daß man sich dreimal rumdrehen mußte, bevor man etwas Kritisches sagte.“
Gerade in Berlin liebe er das Bunte und Schillernde, unterstreicht der neue Protokollchef; die zahlreichen Impulse auch quer zur politischen Hauptrichtung machten diese Stadt erst aus, sagt der Mann im grauen Anzug, der seit Monatsanfang für die Repräsentation Berlins nach Vorstellungen der Regierenden verantwortlich ist. Nicht ein abschätziger Blick fällt auf die Turnschuhe seines Gegenübers oder die Fransen an der Jeans, vielmehr entschuldigt er sich mehrfach für seine Verspätung, für die er gar nichts kann: „Ich komme sehr ungern zu spät, wahrscheinlich tut das einem Menschen besonders weh, wenn er so wie ich gestrickt ist.“
Zu seiner Strickart zählen auch privat konservative Vorstellungen: „Ich habe Familie, ganz normal“, sagt er über sich. Er sei gerne mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen, er gehe auch gerne mit ihnen weg, „die Stadtbezirke erforschen“, in den Zoo oder auswärts essen. Und wenn er davon erzählt, sagt er viel über sich selbst: „In vielen Restaurants können sich Kinder nicht so richtig ungezwungen geben. Da können wir noch viel von den Amerikanern lernen, bei denen Kinder kleine Könige sind.“ Diese Toleranz würde er nie brauchen, denn daß er sich tadellos benimmt, das gebietet ihm seine Strickart. Christian Arns
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen