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Ein spielerischer Insolvenzantrag

Nach vielen großen Worten lässt Bayern München die entsprechenden Taten vermissen und scheidet im Viertelfinale der Champions League mit 0:2 bei den Jubilaren von Real Madrid aus. Nächster Gegner der Madrilenen ist der FC Barcelona

aus Madrid REINER WANDLER

Der Übersetzer musste die Frage wiederholen. „Geht mit dem verlorenen Viertelfinale gegen Real Madrid eine Epoche zu Ende?“ Ottmar Hitzfeld stutzte, dann verneinte er schnell. „Wir werden ein paar neue Spieler im nächsten Jahr bekommen“, erklärte er. Mehr hatte der sonst so erfolgsverwöhnte Trainer dazu nicht zu sagen. Das Ausscheiden nach dem 0:2 im Stadion Santiago Bernabéu (Hinrunde: 2:1) macht nicht nur die Hoffnung auf die Titelverteidigung zunichte, sondern stellt einen tiefen Fall dar: Erstmals seit 1996 bringt Bayern München, das letzte Saison noch Weltpokal, Europapokal und Meisterschaft errang, keinen einzigen Titel nach Hause.

Schlimmer noch: „In der Bundesliga bleiben vier Runden. Die wollen wir nutzen, um auf einen Champions-League-Platz zu kommen“, macht Hitzfeld sich und den Seinen Hoffnung. Leicht wird es nicht, denn da haben neben den in der Champions League erfolgreicheren Leverkusenern auch die Kicker aus Dortmund, Schalke und Berlin ein Wörtchen mitzureden.

Das Viertelfinale ging verdient verloren. Von der ersten Minute an spielte Real Madrid nach vorn. Nur durch einen zielschwachen Morientes, der dreimal vor dem Bayern-Tor am Ball vorbeitrat, blieb es Oliver Kahn erspart, hinter sich zu greifen. „Real ist unglaublich offensiv aufgestellt, aber das bietet uns auch eine gute Chance. Wir müssen ein Tor machen, das würde Real schocken“, gab Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge noch zur Pause als Parole aus. Hitzfeld richtete sich danach und brachte mit Claudio Pizarro einen weiteren Angreifer in Spiel. Es nutzte nichts. Erst verwandelte Helguera eine scharfe Flanke von Roberto Carlos. Eine Viertelstunde später tat es ihm Guti nur vier Minuten nach seiner Einwechslung gleich. Dieses Mal hatte Raúl die Vorlage geliefert. Die Bayern versuchten vergebens, den Anschlusstreffer zu erzielen und damit die Verlängerung zu erzwingen. „Wir haben alles gegeben. Wir verabschieden uns erhobenen Hauptes“, tröstete Hitzfeld am Ende sich und seine geschlagene Mannschaft.

„Unglaublich!“ – „Die beste Stimmung in meiner Fußballerkarriere!“ – Die Begeisterung der Spieler von Real Madrid kannte nach dem Sieg über Bayern München keine Grenzen. Der Erfolgsdruck war groß. Die Fans wollten ihre Weißen noch mehr als sonst siegen sehen, in diesem Jahr, in dem der Club sein hundertjähriges Jubiläum begeht. „Die Neunte Sinfonie“ jubelte nach dem Sieg die spanische Sportzeitung AS etwas voreilig. Denn auch der Sieg im Viertelfinale kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fußball der großen Namen nicht automatisch zum Erfolg führt. Alle drei Titel sollte das Geburtstagskind in dieser Saison holen. Doch am ersten, dem spanischen Pokal, sind die Weißen bereits gescheitert, in der Primera División wird es eng: der FC Valencia ist den Madrilenen punktgleich auf den Fersen. Und der neunte Europapokal ist noch drei lange Spiele entfernt.

Im Halbfinale treffen die Madrilenen jetzt auf ihren Erzrivalen FC Barcelona. Zwar ist der Club aus dem spanischen Norden dieses Jahr nicht in seiner Bestform, aber beim 3:1 im Rückspiel gegen Panathinaikos Athen zeigten die Blau-Roten, was sie können. „Ohne den Sieg in der Champions League ist all das nichts wert“, heizt Vereinspräsident Joan Gaspart den Seinen ein. Die Blau-Roten brauchen den Erfolg dringender als jeder andere Club im Halbfinale. Trotz eines Millionenhaushalts hat der FC Barcelona in diesem Jahr auf ganzer Linie versagt. In der Liga ist den Blau-Roten bisher noch nicht einmal ein Platz für den Uefa-Cup sicher.

Egal, wer ins Finale der Champions League einzieht. Der Gewinner in Europa ist einmal mehr der spanische Fußball, der mit drei Mannschaften im Viertelfinale stand und zum dritten Mal in Folge mindestens einen Klub im Endspiel hat, vor zwei Jahren mit Real und Valencia sogar zwei. Diese Bilanz und das eigene schlechte Abschneiden in der diesjährigen Spielzeit macht auch Hitzfeld nachdenklich und lässt ihn über ein Thema reden, das sonst bei den Bayern keines ist: Geld. „In der letzten Saison haben wir eine Sensation geschafft. Wir haben aber nicht so viel Geld investiert wie Spanien, England oder Italien. Wir müssen unsere Grenzen erkennen und Real Madrid hat sie uns heute aufgezeigt“, resümierte Hitzfeld.

Das wird auch so bleiben, zumindest solange in Spanien, anders als möglicherweise in Deutschland, das Pay-TV die Liga-Rechte mehr als vergoldet. Der Präsident von Real Madrid, Florentino Pérez, verspricht den erfolgsverwöhnten Fans für die kommende Spielzeit schon einen neuen Star. Nach Luis Figo und Zinedine Zidane soll in diesem Sommer ein englischer Spieler angeheuert werden. Im Gespräch ist David Beckham von Manchester United.

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