Ein quälend langer Prozess

Exsoldat soll eine Bundeswehrbewerberin in der Kaserne vergewaltigt haben. Sein Anwalt zögert eine Verurteilung mit immer neuen Befangenheitsanträgen hinaus

MÜNCHEN taz ■ Der 23-jährige Ronny P. wird gleich zweifach in die Justizgeschichte eingehen. Der Exobergefreite einer Münchner Sanitätsakademie steht vor Gericht, weil er als erster Soldat eine Bundeswehr-Anwärterin vergewaltigt haben soll. Sein noch laufender Prozess gehört außerdem bereits jetzt zu den am längsten dauernden Vergewaltigungsverfahren in Deutschland.

„Alle meine Kollegen schütteln den Kopf“, sagt Staatsanwalt Markus Koppenleitner. Noch nie habe sich am Münchner Landgericht eine Hauptverhandlung in einem Vergewaltigungsfall so lange hingezogen. Sie begann vor über einem halben Jahr, am 10. Januar. Gestern war der 32. Verhandlungstag. Verteidiger Hubertus Werner beteuerte zwar, er wolle „nicht mit Albernheiten anfangen“, doch das nimmt ihm fast keiner mehr ab.

Schon siebenmal stellte der Anwalt Befangenheitsanträge gegen die zwei Berufsrichter und die beiden Schöffen. An dem Verfahren nicht beteiligte Richter verwarfen sie bisher alle. Bis nächsten Mittwoch müssen sie über die neueste Ablehnung der vier Richter der zwölften Strafkammer wegen Befangenheit entscheiden. Verteidiger Werner wirft ihnen diesmal vor, dass sie eine psychiatrische Untersuchung des Angeklagten verweigern, die der Vorsitzende Richter angeblich im Dezember zusagte.

Der aus Sachsen stammende Ronny P. verweigerte vor Gericht bisher die Aussage. Den Prozess verfolgt er fast regungslos. Laut Anklage überfiel der ehemalige Zeitsoldat die 17-jährige Schülerin am 30. März 2001 um 0.45 Uhr in ihrem Zimmer in der Münchner Ernst-von-Bergmann-Kaserne und verschleppte sie in seine Stube, in der er sie vier Stunden lang festhielt und missbrauchte. Die junge Frau hatte zuvor an einem dreitägigen Aufnahmetest für die Bundeswehr teilgenommen und ihn bestanden. Danach blieb sie noch zwei Nächte länger in der Kaserne, in der sich auch das „Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd“ und die Sanitätsakademie befinden.

Die Bundeswehrbewerberin identifizierte den Angeklagten bei einer Gegenüberstellung als Täter. Drei Tage sagte sie vor Gericht aus. Wenn es nach Ronny P.s Verteidiger ginge, müsste sie wegen angeblicher Widersprüche noch einmal aussagen. Doch dies lehnte das Gericht ab.

Insgesamt wurden etwa dreißig Zeugen vernommen, darunter zwei Staatsanwältinnen und auch Koppenleitner. Dabei sollte geklärt werden, ob die Anklagebehörde einseitig ermittelte. „Es ist äußerst unwürdig für eine Verhandlung, dass mir der Verteidiger eine vorsätzliche Falschaussage unterstellt“, meint der Jugendschutz-Staatsanwalt Koppenleitner. Das sei ein Zeichen dafür, dass sich der Anwalt sonst nicht mehr zu helfen wisse.

15 Monate sitzt Ronny P. bereits in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Sein Anwalt beantragte mehrmals erfolglos beim Oberlandesgericht die Aufhebung des Haftbefehls. Werner arbeitet bereits an einem Revisionsantrag für den Fall, dass sein Mandant verurteilt wird.

Auch die früheren Vorgesetzten bei der Bundeswehr haben den Angeklagten bisher unterstützt. Zuerst verhinderten sie, dass er wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung entlassen wurde. Bis zum Ende seines Bundeswehrvertrages im vergangenen Oktober bekam er trotz U-Haft das volle Gehalt. OLIVER HINZ