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■ Die Militärintervention bringt Albanien in BedrängnisEin grausamer Kleinkrieg droht

Der italienische Verteidigungsminister Andreatta hat es offen ausgesprochen: „Als gute Mitglieder einer Gemeinschaft müssen wir uns beeilen und unsere Pflicht tun.“ Die Regionalliga der EU, die den Anschluß an den Euro nicht verpassen will, Italien, Griechenland und Spanien, und die um EU-Mitgliedschaft buhlenden Länder Türkei und Rumänien wollen den Albanern zeigen, was Europa ist. Und Frankreich marschiert vorneweg, eingestimmt von den hymnischen Tönen des in Paris lebenden albanischen Schriftstellers Ismail Kadaré. Dieser besingt in den großen europäischen Blättern den „albanischen Selbstmord“ und bejubelt die Intervention. Anläßlich des letzte Woche im Meer versenkten Flüchtlingsschiffes preist Ismail Kadaré Italien, das zweimal in diesem Jahrhundert Albanien okkupierte, als dessen „natürlichen Verbündeten“, während er in einer slowenischen Zeitung davon träumt, in Tirana Präsident zu werden.

Die Großmacht Deutschland läßt sich die Kastanien aus dem Feuer holen, das sie mit dem mißlungenen Versuch entfacht hat, in Albanien ein fügsames autokratisches System à la Kroatien zu installieren. Die Fortsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln wird bei den Albanern allerdings auf erbitterten Widerstand stoßen.

Die Intervention türkischer, griechischer und italienischer Truppen in einem Land, das Jahrhunderte gegen das Osmanische Reich gekämpft hat, das wegen seiner Minderheit Jahrzehnte mit Griechenland in bitterer Fehde gelebt hat, sprengt den Rahmen vergleichbarer „humanitärer“ Polizeiaktionen. Ein wie ein Flächenbrand sich ausbreitender grausamer Kleinkrieg zeichnet sich ab.

Zur vom Süden geforderten Absetzung Berishas gibt es keine politische Alternative. Nur das kann die innerparteiliche Opposition in seiner Demokratischen Partei ermutigen und zu einer funktionierenden Zusammenarbeit mit den Sozialisten unter Vermittlung der Demokratischen Allianz beitragen. Nur so kann sich eine unabhängige albanische Regierung bilden, die auch die explosive Lage im Kosovo entschärfen könnte. Daran könnte wahrscheinlich auch ein begnadeterer Romancier als Kadaré nichts ändern. Ulrich Enzensberger

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