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■ Ein Wechselwähler bekenntIch habe es getan!

Sie erinnern sich bitte noch einmal an diese Zeit der quälenden und dumpfen Grübeleien vor dem 27. September. Schröder wählen, diesen alerten Schleimbeutel, diese Medienpuppe mit nix dahinter? Oder Fischer, den Körperfeind? Onkelchen Trittin, demgegenüber man sich immer wie das Opfer einer pädophilen Attacke vorkommt? Will man überhaupt von Grünen regiert werden, also von Leuten wie du und ich? Und wieso eigentlich immer „Wechsel“? Reicht nicht diese ständige Grundunruhe im Leben?

In dieser ausklingenden Kohlzeit, kurz vor Ausbruch des Schröderismus, hatte ich eine Anfechtung. Wie, wenn ich CDU wählen würde!? Huch! Huchuchuch!!! Ich war allein im Zimmer und errötete doch. Husch! War die Anfechtung verscheucht. Doch es arbeitete in mir.

Nächtelang warf ich mich auf der Bettstatt hin und her. Das Undenkbare tun! Ob ich DAS wagen würde? Ich hörte schon die Posaunen Jerichos tröten. CDU wählen! Rechts wählen! Konservativ wählen! Was für ein irrwitziger Trip! Das Verbotene an dem Gedanken machte mich erst recht heiß. Und nach drei Tagen und drei Nächten, die ich mit Fasten, Kasteiung und Geißelungen verbracht hatte, nachts am Lagerfeuer, nackt, mit Wacholderasche beschmiert, spürte ich plötzlich, wie ich innerlich zu wachsen begann.

Ich reckte mich, die Schultern dehnten sich, aus meinen Augen schossen Feuerstöße, und eine mir gänzlich fremde, grollende Stimme sprach durch meinen Mund: „Drei Dinge muß der Mann tun: einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen, einmal CDU wählen.“ Die ersten beiden Prüfungen hatte ich hinter mir.

Was soll ich sagen? Ich tat es. Ich gab der CDU mein Bestes: die Zweitstimme. Die Erststimme aber gab ich der Kandidatin der SPD, weil die aussah wie Monica Lewinsky. Sozusagen als kleines Zugeständnis an den Zeitgeist. Und? Nun? Es hat Kraft gekostet und Freunde, ich bin der Familie fremd geworden, und noch sind die Schritte, die ich jetzt unternehme, unsicher und tapsig. Doch eins weiß ich: Ich bin jetzt groß!

Burkhard Straßmann

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