Ein Unternehmen, das keines sein will

Die Love Parade ist angemeldet: Am 11. Juli soll es erneut auf der umstrittenen Route durch den Tiergarten gehen. Als politische Veranstaltung geht durch, was für die Veranstalter ein Megageschäft ist  ■ Von Tobias Riegel

Nun ist sie also angemeldet: Am 11. Juli soll die zehnte Love Parade erneut durch den Tiergarten ziehen. Der Love-Parade-Erfinder Dr. Motte hat das Spektakel bei der Polizei als Demonstration angemeldet – was erneut Diskussionen über den kommerziellen Charakter der planet.com GmbH als Veranstalter auslösen wird.

„Eine Firmenstruktur der planet.com zu erstellen ist ganz unmöglich“, stöhnt der Tiergartener Baustadtrat Horst Porath (SPD), erklärter Gegner der Route durch seinen Bezirk und des politischen Status der Veranstaltung. „Dieser Verein tut doch nichts anderes, als Nebelkerzen zu werfen, um die wahren Ausmaße seines Gewinns zu verschleiern.“ Er tue das aus gutem Grund, so Porath weiter. Denn nach wie vor gelte die Love Parade als „politische Versammlung“ und sei damit von lästigen und teuren Pflichten wie Müllentsorgung befreit. Die zwischenzeitliche Drohung, mit der zehnten Love Parade nach Paris auszuweichen, bezeichnet der Baustadtrat als „kalkulierten Theaterdonner“ der „Planet“- und „E-Werk“-Pioniere, um den Senat „noch besser unter Druck setzen zu können“.

Das möchte Ralf Regitz so nicht stehen lassen: „Wir haben es gar nicht nötig, irgend jemanden zu erpressen“, so der planet.com-Chef. „Paris war für uns auch nie eine Entweder-oder-Diskussion, sondern ist der Versuch, die Message der Love Parade in die Welt zu tragen. Ist das etwa nicht politisch, wenn wie letztes Jahr eine Million Jugendliche ohne Zoff ihr Weltbild vertreten?“

Trotzdem ist Fakt: Die planet. com ist eine kommerziell organisierte Firma. Im Falle Love Parade wird sie zum exekutiven Organisationsbüro der „Loveparade GmbH“. Diese setzt sich zusammen aus fünf Gesellschaftern: Sandra Mollzahn, William Röttger, Dr. Andreas Scheuermann, Ralf Regitz und Matthias „Dr. Motte“ Roeingh. Um diese genannten Personen besteht ein wahres Techno-Imperium. So ist Mollzahn außerdem Gesellschafterin sowohl des Labels „Low Spirit“ (unter anderen Marusha) als auch des weltweit größten Indoor-Techno- Spektakels „Mayday“.

Es lohnt sich seit 1992

Röttger wiederum ist Präsident, Scheuermann die Rechtsvertretung (und beide auch Gesellschafter) sowohl von „Mayday“ wie auch von „Low Spirit“. Regitz ist Chef der planet.com GmbH und des E-Werks, des voraussichtlich im Frühling wiedereröffnenden, bekanntesten Clubs Europas. Der Techno-Markt scheint unter großen Namen aufgeteilt: Maximilian Lenz (Westbam) ist ebenso „Mayday“- und „Low Spirit“-Gesellschafter wie Fabian Lenz (DJ Dick) und Produzent Klaus Jahnkuhn. Auf diese Weise verdient eine Handvoll Prominenter nicht nur an der Parade an sich, sondern auch an den anschließenden Partys und den parallel produzierten Hits.

Richtig lohnen tut sich das allerdings erst seit 1992. Seitdem nämlich ist der Name „Loveparade“ als eingetragenes Warenzeichen national, seit 1994 international geschützt. Das heißt, jeder, der den Namen in Schrift, Bild, Ton, auf Buttons oder T-Shirts, auf der Bühne, im Internet oder in der Werbung benutzen will, zahlt an die oben genannten Gesellschafter je 10 Prozent der Nettoeinnahmen.

Das alleine wäre, laut den Anwälten Oppenhof und Rädler, Grund genug, die Parade als kommerzielle Veranstaltung mit all den dadurch die Veranstalter treffenden Konsequenzen zu werten. Denn, so ein Gutachten, das die Anwälte letztes Jahr im Auftrag des „Bunds für Naturschutz und Umwelt Deutschland“ (BUND) anfertigten: Zum Zeitpunkt des ersten Eintrags des Warenzeichens „Loveparade“ (1992) sei, laut Paragraph 1 des damaligen Warenzeichengesetzes (WZG), „zwingende Eintragungsvoraussetzung“ gewesen, „daß der Anmelder über einen beständigen (...) Geschäftsbetrieb“ verfüge. Außerdem, so das Gutachten weiter, sei Voraussetzung, daß „der Geschäftsbetrieb des Anmelders auf die Herstellung oder die Bearbeitung von Waren, den Handel mit Waren oder die Leistung von Diensten gerichtet“ sei. Also nicht gerade „gemeinnützig“. Eine „rein weltanschauliche Veranstaltung“ schließe sich unter einem mit diesen Zielen gegründeten Label aus, so die Anwälte weiter: Man solle sich mal vorstellen, die Friedensbewegung hätte ihre Taube schützen lassen.

Zu diesen Copyright-Gebühren addierte sich 1997 das Monopol auf den Getränkeverkauf entlang der Parade, wofür sich die „Loveparade GmbH“ mit ihrem letztjährigen Müllkonzept in Höhe von 280.000 Mark revanchieren mußte. Andererseits forderte sie fünfstellige Beträge pro teilnehmenden Lkw. Nach Presseberichten des letzten Sommers sollen außerdem Sponsoren wie L-Tour, Camel, Langnese und andere zusammen über eine Million Mark bezahlt haben, um ihr Logo auf einem der Lkws unterzubringen. Den gleichen Berichten zufolge soll alleine die ARD der planet.com 250.000 Mark gezahlt haben, um die Massen-Kulisse für eine Folge der Soap-opera „Marienhof“ benutzen zu dürfen. „Alles Quatsch“, dementiert Regitz diese Zahlen. „Das sind ganz klar Unwahrheiten.“ Mit der Love Parade lasse sich kein Geld verdienen. „Wenn ich Kohle machen wollte, würde ich an die Börse gehen.“ Die Lkw- Kosten zum Beispiel würden zum Großteil von den jeweiligen Organisatoren selbst verursacht. Auch sei „Sponsoring“ das falsche Wort für die besagten Firmen-Zahlungen: „Das sind eben Firmen, die sich mit den Idealen der Parade identifizieren“, so Regitz.

Die Stadt verdient 10 Millionen

Wieviel Geld von wem im letzten Jahr verdient wurde, ist schwer zu sagen. Die Berliner Tourismus Marketing (BTM) schätzt die Ausgaben der Raver in Berlin insgesamt auf etwa 150 Millionen Mark, so Sprecher Dr. Buhmann. Nach Schätzungen der volkswirtschaftlichen Abteilung der Bankgesellschaft Berlin flossen davon über 10 Millionen Mark als Steuereinnahmen in die Stadtkasse, so eine Sprecherin. Da ist es nicht verwunderlich, daß der vom Tiergartener Stadtrat Horst Porath beschriebene Druck auf die Entscheidungsträger des Senats gar nicht nötig war: „Wir wollen die Love Parade in Berlin halten, und von Erpressung kann gar keine Rede sein“, sagt dazu der Innen-Staatssekretär Dr. Kuno Böse (CDU): „Es besteht auch kein Grund, den Status des „Versammlungsrechts“ in den des „Straßenrechts“ zu ändern. Böse: „Alle Beteiligten haben ein Interesse, bei ähnlichen Konditionen wie im letzten Jahr zu bleiben.“

„Wir wissen auch, daß sich mit der Veranstaltung eine Mark machen läßt. So naiv ist hier keiner“, sagt Petra Reetz, die Sprecherin von Verkehrssenator Klemann. Trotzdem solle die Parade weiterhin als Demo gelten. Nach Ansicht der Verkehrsverwaltung seien die positiven Aspekte der Parade für Berlin „immens“.

An der Haltung des BUND, vergangenes Jahr erbittertster Gegner vor allem der Route durch den Tiergarten, hat sich „nichts geändert“, so Vorstand Albert Wotke. Man überlege aber, ob man noch einmal klage – „die Aussichten auf Erfolg sind einfach zu gering“. Auch Wotke, der 1997 die planet.com als „ökologische Analphabeten und sichtlich überfordert“ bezeichnete, ist für die Parade. „Aber nicht auf dieser Route, nicht ohne besseres Müllkonzept und nicht als „politische Veranstaltung.“

Love Parade ja, aber unter anderen Vorzeichen, wünscht sich auch Benjamin Hoff von der PDS: „Das wird alles nur noch unter standortpolitischen Kriterien besprochen“, beschwert er sich. Außerdem müsse die Love Parade „zurück ins Zentrum der Stadt“. Die Route durch den Tiergarten sei ökologisch nicht zu vertreten und werde dem „urbanen Charakter“ der Veranstaltung nicht gerecht.