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Ein Tribunal gegen Pol Pot?

Der Chef der Roten Khmer bleibt verschollen  ■ Aus Phnom Penh Jutta Lietsch

Werden sich Kambodschas Rote Khmer jemals für ihre Verbrechen verantworten müssen? Können die Opfer des Pol-Pot-Regimes darauf hoffen, daß ein internationales Tribunal die Wahrheit über diese vier Jahre des Terrorregimes ans Licht bringt? Diese Fragen beschäftigen nicht nur die kambodschanische Öffentlichkeit, sondern auch Politiker in vielen Hauptstädten der Welt. Denn Pol Pot, der berüchtigte Führer der Roten Khmer, soll laut der kambodschanischen Regierung gefangengenommen worden sein – von einer abtrünnigen Fraktion.

Premierminister Prinz Norodum Ranariddh versicherte gestern in Phnom Penh, seine Unterhändler verhandelten gegenwärtig mit den Roten Khmer. Er verriet allerdings nicht, welche Bedingungen die abgespaltene Fraktion stellt, damit sie ihren 18jährigen Guerillakrieg aufgibt und Pol Pot an die Regierung ausliefert.

Der Prinz und sein Co-Premier Hun Sen hatten in der vergangenen Woche die UNO um Unterstützung für ein Internationales Tribunal gegen Pol Pot gebeten. Nun muß der Weltsicherheitsrat über dieses Anliegen entscheiden. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat laut Berichten aus New York beschlossen, die Bitte auch an die Generalversammlung der 185 Mitgliedsstaaten weiterzuleiten.

China hat bereits am Dienstag wissen lassen, daß es gegen ein Internationales Gerichtsverfahren ist. „Der Fall der Roten Khmer, einschließlich des Problems Pol Pot, ist interne Angelegenheit Kambodschas“, erklärte in Peking ein Sprecher des Außenministeriums. Es sei „Sache der Kambodschaner, wie sie damit umgehen“. China ist eines der fünf Länder im ständigen Ausschuß des Sicherheitsrates – es kann mit seinem Veto jeden Beschluß blockieren.

Die Reaktion aus Peking kommt keineswegs überraschend: China hat die Roten Khmer jahrzehntelang militärisch, finanziell und diplomatisch unterstützt. Als das Regime 1979 von der vietnamesischen Armee aus Phnom Penh vertrieben wurde und seine Führer sich über die Grenze nach Thailand flüchteten, brachten chinesische Diplomaten zum Beispiel Außenminister Ieng Sary nach Bangkok zum Flugzeug, das ihn ins rettende Peking flog. Mit Geld, Training und Waffen peppelte China die Armee der Roten Khmer wieder auf. In der offiziellen Darstellung des chinesischen Außenamtes hört sich das heute so an: „Wenn wir uns die kambodschanische Geschichte vor Augen führen, dann können wir sehen, daß China eine konstruktivere Rolle bei der Förderung des Friedens gespielt hat.“

In Washington erklärte unterdessen ein Regierungssprecher: die USA würden ein Internationales Tribunal unterstützen, „wenn die kambodschanische Regierung dies wünscht“. Allerdings müßte Washington dann selbst auf schwere Vorwürfe gefaßt sein: Die USA haben den Bürgerkrieg gegen die von Vietnam eingesetzte Regierung in Kambodscha in den 80er Jahren massiv unterstützt. Ihnen war jedes Mittel recht, die mit Moskau verbündeten Vietnamesen einzudämmen.

Auch für König Sianuk würde ein Prozeß nicht angenehm: Er hatte den Roten Khmer bis 1976 als Staatschef gedient. Seine Funcinpec-Partei kämpfte später im Bürgerkrieg auf der Seite der Roten Khmer. „Wenn ich dann noch lebe“, ließ er jetzt erklären, werde er sich vor einem Tribunal verantworten. Auch in der kambodschanischen Regierung sind viele, die in den siebziger Jahren selbst bei den Roten Khmer waren. Doch im Augenblick gibt es noch ein anderes Problem: Die Regierung hat Pol Pot noch nicht in den Händen. Obwohl Premierminister Ranariddh immer wieder verspricht, Pol Pot bald der Öffentlichkeit vorführen zu können, bleibt bis heute unklar, wie er dies tun will. Sein Abgesandter General Nhiek Bun Chhay hat trotz aller Versprechen bislang keinen Beweis vorgelegt, daß Pol Pot tatsächlich lebt.

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