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Ein Tag GeneralstreikGriechenland steht still

Alle Flüge von und nach Griechenland wurden gestrichen, Schulen und Behörden bleiben für einen Tag zu: aus Protest gegen den Sparkurs. Premier Papandreou erklärt, er habe "Verständnis", nur "kein Geld".

Ein neuer Tag in Athen. Bild: the cramped/photocase

ATHEN dpa/rtr | Eine massive Streikwelle im Gefolge der Finanzkrise droht Griechenland an diesem Mittwoch praktisch lahmzulegen. Vor allem im Bereich Verkehr dürfte fast nichts mehr gehen. Bereits seit Mitternacht waren sämtliche Flüge von und nach Griechenland wegen der Beteiligung der Fluglotsen ausgefallen. Auch die Fähren zu den griechischen Inseln und die Eisenbahn werden bestreikt. Die U-Bahnen und viele Buslinien in Athen und Thessaloniki fahren ebenfalls nicht.

Geschlossen blieben auch alle staatlichen Behörden, die meisten Schulen und die Universitäten. Die Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern behandeln nur Notfälle. Im Radio und Fernsehen gab es keine Nachrichtensendungen, da auch die Journalisten für 24 Stunden die Arbeit niederlegen. Der Streik richtet sich gegen das schmerzhafte Sparprogramm der Regierung, die damit gegen die massive Staatsverschuldung ankämpft.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte auf die Streikankündigung mit dem Hinweis reagiert, er habe zwar "Verständnis dafür", es gebe aber einfach "kein Geld". Das harte Sparprogramm der sozialistischen Regierung sieht unter anderem einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und Gehaltskürzungen für Beamte vor.

Umfragen zufolge unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung die Sparpläne der Regierung. Nahezu drei Viertel sind gegen Streiks während der Schuldenkrise.

Griechenland muss in diesem Jahr rund 53 Milliarden Euro neue Schulden machen, mehr als 20 Milliarden Euro davon im April und Mai. Aus Angst vor einem Staatsbankrott verlangen die Investoren derzeit kräftige Risikoaufschläge für griechische Anleihen. Die Sorgen über die Zahlungsfähigkeit Griechenlands haben auch das Vertrauen in den Euro erschüttert.

Die EU-Kommission hat die griechischen Staatsfinanzen unter ihre ständige Aufsicht gestellt. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuern in den kommenden Wochen gilt als sicher. Drastisch erhöht wurden bereits die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoffe.

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12 Kommentare

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  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    1. Die Streikenden sind nicht an der Finanzkrise schuld.

    2. Die schuldigen Politiker sind immer noch auf freiem Fuss.

    3. Die programmierte Verarmung der lohnabhängigen Bevölkerung und der Rentner wird nicht ausreichen um die Schulden bei den Banken zu tilgen. Eine verarmte Bevölkerung zahlt eben auch weniger Steuern und Sozialversichrungsbeiträge.

     

    Wozu ist eigentlich die EZB da?

  • D
    denninger

    Sag mal, "das selbst", gibt es da auch nur ein einziges reales Argument, das Deine Forderung untermauert?

  • DS
    das Selbst

    Sozialismus für Europa!!!

  • O
    Orwell

    Oktober 2010: Angesichts der Tatsache, dass sich die Krise mittlerweile auf den gesamten Euroraum ausgeweitet hat, sich die Wettbewerbslage in bezug auf Indien und China weiter verschlechter hat, beschliesst die Komission der Eu für alle Mitgliedstaaten:

    1. Heraufsetzung der Rente auf 75 Jahre

    2. Lohnkürzungen von 45%

    3. Privatisierung von allen öffentlichen Einrichtungen

    4. Zwangsimpfungen zur Unterstützung der Pharmaindustrie; (letztere hat besonders unter den niedrigen Lohnstückpreisen Indiens gelitten)

     

    Das Streikrecht ist bis auf weiteres aufgehoben

  • DK
    Der Klaus ganz fein

    @von das selbst: "wie wir alle über ihre verhältnisse gelebt"... wirft das nicht sofort ein bescheidenes licht auf diese "verhältnisse", die es ein angenehmes leben in wohlstand verhindern? Und mit Demos lässt sich sicherlich kein Systemwandel umsetzen, man kann vielleicht die öffentliche Meinung etwas beeinflussen, meist eher noch positiv solang gewaltfrei. Das was die Menschen vom Reichtum trennt ist das Geld, (wir haben fast vollautomatische fabriken und überproduktion), und Geld erhält man durch den Lohn. Der Lohn ist aber aufgrund dieser "Verhältnisse" (wachstum, profite machen ..) und der austauschbarkeit des lohnabhängigen mit subjekten der industriellen reservearmee (lohn ist in unserer wirtschaft kostfaktor, also eher störend)so gering wie möglich. durch streiks wird doch gerade unterbunden dass das kapital aus den arbeitern mehrwert schafft, aber ich gebe dir in der hinsicht recht, solang die streiks nicht ernsthaft politisch motiviert sind sondern anstatt 5 euro halt 10 euro fordern, und danach alles weiter geht wie bisher sind sie nutzlos

  • DS
    das Selbst

    Trotzdem haben sie, wie wir alle über ihre Verhältnisse gelebt und müssen jetzt halt dafür bezahlen. Uns kann es genau so gehen. Das dann gestreikt wird finde ich nicht gerechtfertigt. Wenn man einen Politikwechsel oder einen Systemwechsel anstrebt soll man das mit Demos oder sonstigen Methoden umsetzen aber Streiken weil man nicht mehr so viel kriegt und den Rest so beibehalten wollen, ist inakzeptabel.

  • R
    Rudolf

    Die Griechen haben betrogen um in die Euro Zone zu kommen, sie sollten ihre Fehler eingestehen und ihre Schulden nicht noch vermehren durch diese sinnlosen Streiks.

     

    Glaubt wirklich jemand dass die Regierung einlenken wird?

    Ja?

    Glaubt ihr auch noch an den Weihnachtsmann?

  • H
    Hupe

    Ja Gummiball, dem stimme ich absolut zu. Jedoch scheint der Leidensdruck in Deutschland noch nicht groß genug zu sein. Warten wir einfach zwei bis fünf Jahre ab. Es wird bestimmt auch hier noch spannend werden.

  • SS
    Sepp Schilehrer

    Können Sie bitte ein bisschen konkreter werden...? Welche Alternativen hat Griechenland Ihrer Meinung nach...?

     

    Oder sind Sie nur dagegen, weil man stets gegen das System sein muss...?

  • ST
    Stefan Thiesen

    Leider scheint die Alternative zum "radikalen Sparkurs" in Griechenland im real existierenden europäischen Kapitalismus (verkürzt) die zu sein, daß den Sozialhilfeempfängern im übrigen Europa die Zahlungen gekürzt werden, um ein korruptes und marodes Griechenland zu stützen. DAS kanns auch nicht sein. Aber der Fall Griechenland zeigt zumindest, wohin auf Dauer das Zins- und Verschuldungsprinzip führt, auf dem die komplette Weltwirtschaft basiert. Den alten Griechen war das durchaus bewußt.

  • G
    GonZoo

    Griechische Beamte streiken - das ist, so weit ich Griechenland kenne, eher die Regel als die Ausnahme. Das Beamtengehalt ist das garantierte Grundeinkommen, das abertausende Planstelleninhaber sich einmal im Monat abholen und das ihnen durch Freunde und Verwandte verschafft wurde. Die eigentliche Berufstätigkeit findet außerhalb des Amtes statt. Wie gesagt, das ist nicht die Ausnahme, das ist der Normalzustand. In diesem Punkt ist Griechenland schlimmer als Albanien und Indien zusammen.

     

    Die Sparmaßnahmen der Regierung sehen so aus, daß für je 50 in Rente gehende Beamte nur noch 15 neue angestellt werden sollen. Das sind immer noch 14 zu viel für das, was tatsächlich geleistet wird.

     

    Aber ein Generalstreik wird Griechenland ganz bestimmt wieder auf die Beine bringen, da bin ich mir ganz sicher....

  • G
    Gummiball

    UNGLAUBLICH! Gibt es denn so etwas? Eine derart großflächige Soldiarität eines gesamten Volkes? Ich ziehe meinen Hut vor den Griechen! Welche eine Mut und Einsicht! Endlich gibt es Menschen die verstanden haben, wie man ohne Gewalt eine gekaufte Regierung innerhalb kurzer Zeit in die Knie zwingen kann.

    Es gibt IMMER andere Alternativen zum radikalen Sparkurs. Man muss nur genug Mut für Neues haben. Statt dessen wird dem Volke vorgetäuscht, man müsse alte, morsche Balken, dessen Lebenserwartung schon längst abgelaufen ist, mit viel Geld in Stand halten.