: Ein Siegertyp
Mohammed Said al-Sahhaf war vor einem Jahr Saddam Husseins Informationsminister, damals waren die Amerikaner nur „Würmer“ für ihn. Diese große Karriere hat er hinter sich – und eine ebenso steile vor sich. Ganz bestimmt
Mohammed Said al-Sahhaf sehe ich jeden Tag. Meistens gleich morgens auf dem Weg zum Bäcker. Es scheint ihm gut zu gehen. Der ehemalige irakische Informationsminister lebt inzwischen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Als vor einem Jahr bereits amerikanische Panzer durch Bagdad rumpelten, verkündete er: „Hier gibt es keine ungläubigen Amerikaner. Nie!“ Er sieht jetzt wieder besser aus. Gott sei Dank, denn der Schock vom Juni sitzt seinen Fans noch in den Knochen.
Da war er zum ersten Mal nach dem Sturz des Diktators im Fernsehen aufgetreten. Er habe versucht, sich den Amerikanern zu stellen, erzählte er. Ganz untypisch vermied er dabei die Fachbegriffe („Würmer“, „Feiglinge“), mit denen er zuvor die US-Soldaten bezeichnet hatte. Doch es war nicht die Ausdrucksweise und auch nicht seine frappierende Bedeutungslosigkeit, die die Zuschauer schockte – man hatte ihn nach kurzer Befragung wieder nach Hause geschickt.
Was die Zuschauer schockte, war sein Aussehen. Das karierte Hemd. Die schlohweißen Haaren. Ein alter Mann. Kein Wort verlor er darüber, in welchem Paralleluniversum er sich in den letzten Tagen von Bagdad verirrt hatte. „Die Zeit ist noch nicht reif, um über diese Ereignisse zu sprechen“, sagte er. Inzwischen bereite er seine Memoiren vor. Die könnten spannend werden, auch wenn er nur schreibt, was er wirklich in den letzten 64Jahren erlebt hat.
Sahhaf ist Schiit und stammt aus Hilla. Eigentlich wollte er Englischlehrer werden. Doch 1963 trat er in die Baath-Partei ein und wurde schnell zum Chef des irakischen Fernsehens ernannt. Später wurde er Botschafter in Schweden. Dort soll er den Mord an zwei irakischen ehemaligen Spionen angeordnet haben. Vielleicht war es das Blut an seinen Händen, auf jeden Fall schaffte Sahhaf 1992 den Sprung in die Führungsebene. Er wurde Außenminister, und 2001 bekam er den Posten, der ihn berühmt machte. Auf der Homepage www.welovetheiraqiinformationminister.com kann man seine schönsten Zitate lesen. Einige lassen sich auch (dafürliebenwirdieamerikaner) als Grillschürze („Ihre Mägen sollen in der Hölle schmoren!“) oder Tasse („Kein Amerikaner verschüttet seinen Kaffee“) preisgünstig erwerben. „He was great“, soll selbst der US-Präsident gesagt haben.
„Macht euch ruhig über Sahhaf lustig!“, spottet Karam Samaan, ein irakischer Journalist: „Ihr werdet schon sehen. Er ist ein sehr schlauer Mann, und ich bin davon überzeugt, dass seine Karriere nicht zu Ende ist!“ Und tatsächlich scheint Sahhaf sich gefangen zu haben. Das gute Leben am Golf tut ihm gut. Seine Haare sind wieder schwarz, er trägt Nadelstreifen. Sahhaf lebt in guter Gesellschaft. Viele VIPs des alten Systems, denen es im Irak zu ungemütlich geworden ist, leben in den Emiraten.
Einen neuen Job hat er auch: Er ist Talkshow-Gast. „Al-Sahhaf spricht!“ hieß eine Interviewserie auf Abu-Dhabi-TV. Exklusiv. Allerdings waren seine Aussagen so nebulös, dass sich die Zuschauer langweilten. Etwas besser waren seine Auftritte, als Saddam Hussein verhaftet wurde. Da zeigte er wieder sein Fuchslächeln. Das Wort Feigling kam zwar noch nicht über seine Lippen, doch mit seinem Exchef ging er ins Gericht: „Die Art, wie er verhaftet wurde, war eine Beleidigung. Wir hätten gedacht, dass sich Saddam umbringen würde, ehe man ihn lebend gefangen nimmt.“ So ändern sich Zeiten und Menschen.
In der arabischen Welt ist alles im Umbruch, und ich bin froh, dass es zumindest bei uns in Frankfurt noch Verlässlichkeit gibt: „Studiengebühren sind sozial und gerecht“ steht da auf den Spuckis neben dem Bild von Sahhaf. An jedem zweiten Laternenpfahl kleben sie. Immer noch.
Obwohl der Studentenstreik schon vor Monaten eingeschlafen ist. Weder Winterregen noch andere Realitäten können ihn stoppen. Mohammed Said al-Sahhaf ist eben einfach ein Siegertyp. JULIA GERLACH