Ein Sack über dem Kopf: Hamburg rüstet nach
Nach Bremen und Niedersachsen sollen nun auch in Hamburg Spuckschutzhauben Polizisten davor schützen, bespuckt zu werden.
„In Zukunft setzen wir, wenn aufgrund konkreter Umstände ein Spuckangriff zu erwarten ist, festgenommenen Personen unsere Spuckschutzhaube auf.“ So könnten die Personen weiter atmen und sehen, der Speichel bleibe aber in der Innenseite der Haube. 3.000 Stück sind für Hamburgs Peterwagen bestellt.
Viele Polizisten – auch in Hamburg – beklagen, dass die Respektlosigkeit und die Renitenz der Bevölkerung gegenüber Streifenwagen-Besatzungen zunehmen. Spuckattacken finden eingesetzte Polizisten besonders „demütigend und eklig“. Dazu kommt es meist dann, wenn Festgenommene in Handschellen gefesselt sind und nicht mehr anders opponieren können. Die gesundheitliche Risiken für Polizisten, sich durch die Speichelattacke ernsthaft an Krankheiten wie Hepatitis oder HIV zu infizieren, sind allerdings laut Robert-Koch-Institut sehr gering.
Daher ist der Haubeneinsatz umstritten: Einerseits stellt die Maßnahme den ohnehin schon in Handschellen Festgenommenen zusätzlich an den öffentlichen Pranger und sorgt sicherlich nicht für mehr Respekt. Im Gegenteil, sie löst eine weitere Eskalationsstufe und Aggressionen aus, weil sich die Personen in der Regel gegen das überstülpen massiv wehren und zu Tritten provoziert werden. Und sie muss auf einer Rechtsgrundlage stehen. „Der Gebrauch einer Haube unterliegt natürlich rechtlichen Regelungen und muss dokumentiert werden“, so die Hamburger Polizei.
Vorreiter für dieses Einsatzmittel ist Bremen. Hier wird die Spuckschutzhaube schon seit 2015 eingesetzt und wurde seither 101-mal eingesetzt. Das Modell vom Typ „Pol-i-Veil weiß“ ähnelt einer durchsichtigen Plastiktüte und ist aus dünner Baumwolle.
In Niedersachsen ist die Polizei seit 2015 mit Schutzmasken aus der Notfallmedizin ausgestattet, die den Delinquenten in begründeten Fällen angelegt werden, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Vorstellung. Hauben wie bei der Bremer Polizei, die Festgesetzten komplett über den Kopf gestülpt werden, wolle man nicht einsetzen, weil die Betroffenen damit unnötig zur Schau gestellt würden, meint Pistorius.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“