piwik no script img

Ein Ordnungsdienst für BremenMit Schlagstock und Handschellen

Bremen bekommt einen Ordnungsdienst, der Zwang anwenden darf. Dafür wird das Polizeigesetz geändert. Dabei sind die Qualifikationen der Leute noch völlig unklar

Soll bald auch ganz offiziell in die Hände des Bremer Ordnungsdienstes: der Schlagstock Foto: Silas Stein/dpa

2018 bekommt Bremen einen Ordnungsdienst: 23 Stellen werden vorerst geschaffen für MitarbeiterInnen des Ordnungsamtes, die dann uniformiert durch Bremen patrouillieren – ausgestattet mit Schlagstock und Handschellen und dem Recht, „unmittelbaren Zwang“ anzuwenden.

Dafür soll extra das bremische Polizeigesetz geändert werden. „Sehr schwierig“ findet das Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Linken. „Ein Ordnungsdienst unterliegt ja nicht der gleichen Ausbildung wie ein Polizist.“

„Wie die Ausbildung aussehen wird, muss erst noch besprochen und abgestimmt werden“, sagt eine Sprecherin der Innenbehörde, der das Ordnungsamt unterstellt ist. Wenn alles klappe, werde es spätestens zu November Stellenausschreibungen geben, allerdings vorerst ausschließlich intern, und: Welche Grundqualifikation bei den potenziellen AußendienstmitarbeiterInnen vorhanden sein sollte, stand am gestrigen Dienstag ebenfalls noch nicht genau fest: „Wir hatten erst einmal an Verwaltungsfachangestellte, Fachangestellte für Bürokommunikation und Kaufleute für Büromanagement gedacht.“

Fest steht hingegen: Der Ordnungsdienst kommt; dessen Gründung hatten SPD und Grüne bereits 2015 im Koalitionsvertrag vereinbart. Zuständig sein soll er für Ordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen, Lärmbelästigungen, „aggressives Betteln“ – oder illegale Müllentsorgung.

„Dieser Punkt wird ganz besonders in den Vordergrund gestellt als Argument für einen Ordnungsdienst“, sagt Vogt. Aber genau an dieser Stelle sei er fehl am Platze: „In Gröpelingen beispielsweise sind diese typischen kleinen Hafenarbeiterhäuschen billig aufgekauft worden. Die haben im Schnitt vier Zimmer und werden an Roma-Familien vermietet, die dort teilweise mit sechzehn Menschen leben.“ Da die Häuser offiziell nur von zwei Personen gemietet würden, stünden dort natürlich auch viel zu wenig Mülltonnen: „Da muss man gegen Überbelegung und miese Mietverhältnisse vorgehen, da ist das Wohnaufsichtsgesetz gefragt – kein Ordnungsdienst“, sagt Vogt.

Auch an der Aufklärung der BewohnerInnen müsse dringend gearbeitet werden: „Flyer mit Hinweisen über eine korrekte Müllentsorgung nützen nichts, wenn die Menschen, die es betrifft, gar nicht lesen können!“ Hier, sagt Vogt, könne man „mit weniger Geld und weniger zweifelhaften Methoden viel effektiver vorgehen.“

Die „zweifelhaften Methoden“ bestreiten sowohl die Innenbehörde als auch der Bremer Landesverband der Polizeigewerkschaft. Deren Vorsitzender Jürn Schulze sagt: „Der Ordnungsdienst wird ja nicht bewaffnet. In Notwehrsituationen könnte er sich allerdings nach geltendem Recht nur auf Jedermannsgesetze berufen – das Polizeigesetz wird deswegen geändert und auch, damit er zu Zwangsmaßnahmen ermächtigt wird.“

Wir freuen uns, wenn wir wenigstens hier entlastet werden

Jürn Schulze, Polizeigewerkschaft

Konkret bedeute die Änderung des Polizeigesetzes, sagt eine Sprecherin der Innenbehörde, „eine Absicherung und rechtliche Handhabe zu schaffen, wenn der Mitarbeiter beispielsweise jemanden festhalten oder Gewalt gegen eine Sache ausüben muss.“ Das geänderte Gesetz gilt künftig auch für den Bremerhavener Ordnungsdienst: Den gibt es bereits seit 2010, bisher allerdings ohne die nun geplanten „Ermächtigungen.“

„Die Aufgaben des Ordnungsamtes werden subsidiär von der Polizei übernommen“, sagt Jürn Schulze. Mit der Schaffung eines Ordnungsdienstes ginge nun ein Teil dieser Aufgaben wieder an die Stelle, die eigentlich zuständig sei – eben das Ordnungsamt. „Originäre Polizeitätigkeiten darf ein Ordnungsdienst selbstverständlich nicht übernehmen“, sagt er. Nach wie vor benötige die Polizei mehr Personal, „aber wir freuen uns, wenn wir wenigstens hier schon einmal entlastet werden“.

Und dafür, heißt es bei der Innenbehörde, werde der Ordnungsdienst auch geschaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!