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Ein Notrufbutton fürs InternetDirekter Draht zum Hilfeteam

Weil Amokläufer ihre Taten häufig im Internet ankündigen, sollen die Notrufmöglichkeiten im Internet ausgebaut werden. Bestehende Internetwachen reichen nicht aus.

Rund 4.400 Hinweise sind seit 2007 in der nordrhein-westfälischen Internetwache eingegangen. Bild: screenshot www.polizei-nrw.de

„Die meißten Taten haben ihre Vorboten – oft in Chatrooms“, sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Bundestag. Es ging wie so oft dieser Tage um den Amoklauf eines Schülers in Wittenden, der jedoch seine Tat nicht im Internet angekündigt hatte. Viele andere Amokläufer tun das aber: wissenschaftlichen Untersuchungen zu Folge etwa ein Drittel.

Eine Frage, die die Politik nun beschäftigt ist: Wie lassen sich mit Hilfe des Internets Amokläufe verhindern? Denn die Ankündigungen im Netz werden oft viel zu spät von den Behörden entdeckt, es mangelt an der Weitergabe der Informationen durch andere User, die auf solche Ankündigungen stoßen. Den direkten Draht zur Polizei 2.0 gibt es bislang nicht.

Den wünscht sich neben der Familienministerin auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er schlägt Notfall-Buttons vor, die die Anbieter von Internetdiensten neben Chatrooms oder Foren installieren sollen. „So als würde man einen Notrufknopf im Fahrstuhl drücken, der eine Benachrichtigung und sofortige Hilfeleistung auslöst“, beschreibt der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen seine Vorstellungen davon.

Hinter diesen Buttons sollen sich laut Jansen Einsatzzentralen verbergen, die mit PsychologInnen, PädagogInnen, InternetspezialistInnen und KriminalistInnen besetzt sind und schnell auf eingehende Meldungen reagieren können.

Verschiedene Bundesländer bieten zwar bereits heute so genannte „Internetwachen“ an. Doch diese scheinen unzureichend zu sein: „Die bisherigen Internetwachen sind nichts weiter als ein Formularschrank“, sagte BDK-Sprecher Bernd Carstensen der taz. „Das ist nicht so, als wenn jemand über 110 anruft und sofort darauf reagiert werden kann.“

Anders sieht es in Nordrhein-Westfahlen aus. Das dortige Landeskriminalamt richtete im Januar 2007 als Reaktion auf den Amoklauf von Emsdetten eine Internetwache ein. Über ein spezielles Formular auf der Seite können Internetnutzer Hinweise auf angekündigte Gewalttaten oder Selbstmorde geben. Meldungen, die dort abgegeben werden, erreichen direkt geschulte LKA-Beamte, die die Informationen an die zuständige Polizei weiter geben.

„Sinn und Zweck ist es, einem Surfer eine adäquate Verbindung zur Polizei zu bieten“, sagt der Sprecher des LKA, Frank Scheulen. Seit 2007 sind über die Internetwache 4.400 Hinweise eingegangen, davon 240 auf angekündigte Gewalttaten. „Es gibt einige Fälle, in denen wir Personen aufgesucht und in psychiatrische Behandlung eingeliefert haben“, resümiert Scheulen.

Ein großes Problem bei solchen Internetwachen ist auch ihre Erreichbarkeit. Um einen solchen Dienst nutzen zu können, muss man erst einmal wissen, dass es ihn gibt. Und welcher gerade zuständig ist: jedes Bundesland hat derzeit seine eigenen Polizeiportale, die zudem noch völlig unterschiedlich aufgebaut sind. Eine zentrale Anlaufstelle im Internet gibt es nicht.

Ob die Politik eine solche jetzt schafft, ist unklar. Von der Leyen sagte am Mittwoch, Hilfsangebote müssten im Sinne eines „110 im Netz“ präsenter sein. „Wenn sich die Jugendlichen in ihren eigenen Chatrooms bewegen, haben Sie keinerlei Anlaufstellen, wenn sie Hilfe brauchen oder ihnen etwas unheimlich ist.“ Dabei haben die Jugendlichen doch auch immer die Möglichkeit, zum Telefon zu greifen und die 110 zu wählen.

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5 Kommentare

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  • DS
    Dennis Schröter

    In den Kommentaren zu dem Artikel ist von einer populistischen Idee die Rede, die nicht umsetzbar ist.

     

    Natürlich würde eine solche Funktion oft missbraucht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Anbieter von Chatportalen einen solchen Button tatsächlich in großer Zahl platzieren würden. Der Ansatz die Polizei auch über das Internet erreichbar zu machen ist bestimmt nicht falsch.

     

    Ein Großteil der Jugendlichen sind regelmäßig im Internet, aber auch sehr viele Erwachsene. Früher war es nur möglich die Polizei direkt in der Wache zu erreichen. Mit dem Aufkommen des Telefons konnte man die Polizei telefonisch erreichen. Das Internet ist in unser Gesellschaft etabliert, aber direkte Kommunikation mit der Polizei ist nicht möglich. Derzeit kann man sich nur über Formulare melden, die nur mit Verzögerungen bearbeitet werden. Warum soll also eine direkte Verbindung über das Internet mit der Polizei nicht ermöglicht werden?

     

    Ich für meinen Teil würde gerade bei Hinweisen auf Suizid oder anderen Straftaten eher mich über das Internet an die Polizei wenden, als 110 zu wählen.

  • J
    julian

    Frau von der Laien beweist mit diesem populistischem Vorschlag mal wieder ihre "unterirdische" Kompetenz in Sachen Internet.

    1. Wurde weder der Amoklauf von Winnenden noch der von Erfurt 2002 im Internet angekündigt

    2. Besonders peinlich in dem Zusammenhang ist ja, dass Polizei und Presse einem Jux aufgesessen sind.

    3. Ein solcher "Button" würde dauernd falschen Alarm melden, weil Leute in Foren sich regelmäßig einen ähnlichen Spaß erlauben würden.

    Geht's eigentlich noch dümmer, Frau von der Laien?

  • O
    ONN-Schauer

    http://www.theonion.com/content/video/manufacturer_recalls_hollow_point

    Ich war gerade bei theonion.com und habe mir einige Filmchen dort angesehen und danach Euren Artikel gelesen ... (interessant auch der Film über 3D-Shooter, die ja bei Euch in der BRD Killerspiele genannt werden)

    Bis kurz vor Ende war mir nicht bewußt, daß das was Ihr geschrieben habt, tatsächlich ernst gemeint war(!) sondern hatte permanent das Gefühl, immer noch auf ONN zu sein ...

  • R
    Roderick

    Frau v.d. Leyen sollte endlich zurücktreten, erstens, weil sie vergewaltigte Kinder für ihre politischen Zwecke erneut missbraucht und zweitens, weil sie, wie sie hier erneut vor Augen führt, unfähig ist, soll heißen, von „dem Internet“ keine Ahnung hat.

     

    Sie sollte Geld für Frauenhäuser ausgeben, für Prävention (in einem therapeutischen Sinne), für Bildung, für Integration usw. Dann würde mehr als nur ein Drittel der möglichen Amokläufer erreicht werden.

     

    Notrufbuttons in Chaträumen? Das mag bei ICQ, MSN und anderen proprietären Angeboten funktionieren, aber es versagt, sobald der User sich einen eigenen Kanal einrichtet. Von der schieren Anzahl der Chaträume mal ganz abgesehen.

     

    Da soll mal wieder Geld für Überwachungstechnologien und die Vergrößerung des behördlichen Overheads verbrannt werden, statt wirkliche Hilfe zu leisten. Sollen all die Psychologen doch in die Schulen gehen und sich mit den Problemen der Schüler und der Eltern direkt beschäftigen.

  • I
    irgendwer

    Ja genau, weil sich Frau von der Leyen jetzt einen Panic-Button wünscht, werden sämtliche Chatanbieter weltweit dies natürlich freiwillig tun, weit verbreitete Chatsoftware-Anbieter das am besten gleich auf Protokollebene implementieren und natürlich wird ein einfach klickbarer Button nie versehentlich oder missbräuchlich gedrückt werden...

     

    Ich frage mich manchmal, wie selbstgefällig man sein muss, um sich bei Vorschlägen zu Themen, von denen man offensichtlich keine Ahnung hat, sich nicht zu schämen, diese Vorschläge trotzdem laut auszuposaunen...