heute in hamburg: „Ein Nein beinhaltet auch immer ein Ja“
Johanna Montanari, 30, promoviert an der HU Berlin. Sie beschäftigt sich als Autorin mit kapitalistischen und patriarchalen Logiken.
taz: Frau Montanari, warum ist es so wichtig, Nein zu sagen?
Johanna Montanari: Wir haben das Buchprojekt „Wege zum Nein“ mit dem Gedanken gestartet, dass wir uns Beziehungen wünschen, in denen das Nein-Sagen wertgeschätzt wird. Nein ist ein wichtiger Teil einer selbstbestimmten Sexualität. Nein sagen zu können, ermöglicht viel und kann als Zeichen der Nähe wahrgenommen werden. Im Buch habe ich ein Kapitel über Liebesbeziehungen geschrieben, in denen ein Nein nicht als Grenze verstanden wird, sondern als etwas Positives, das Raum aufmacht. Ein Nein beinhaltet auch immer ein Ja, das noch präzisiert werden kann.
Fällt es Frauen schwerer, Nein zu sagen?
Die Möglichkeiten, Nein zu sagen, haben ganz klar mit Geschlechterrollen zu tun. Ich glaube nicht, dass Männer es leichter haben. Nein sagen ist immer schwierig, wenn es mit Erwartungen bricht. Und Frauen wie Männer haben bestimmte Erwartungen zu erfüllen, auch wenn sie unterschiedlich sind.
Und wir lernt man, Nein zu sagen?
Um Nein sagen zu können, ist es wichtig, auch ein Nein annehmen zu können. Wenn ich Nein höre und es als Ablehnung meiner Person verstehe, fällt es mir schwer, selbst ein Nein zu äußern. Aber wenn ich ein Nein höre und mich darauf einlasse, dass die Person sich damit öffnet, wird es leichter für mich, Nein zu sagen. Ich verstehe es als ein Geschenk, eine Art Vertrauensbeweis und nicht als Verletzung oder Ablehnung.
Der Ausgangspunkt des Buches ist die Sexualstrafrechtsreform von 2016?
Ja, die Reform wurde im Juli 2016 beschlossen und im November 2016 in Kraft gesetzt. Es gibt noch nicht viele Urteile, sodass man eine klare Richtung sehen kann, wie das Gesetz praktisch umgesetzt wird. Im Zuge der Reform wurde viel über sexualisierte Gewalt gesprochen, das hat aber schon abgenommen. Und die Diskussion war ziemlich rassistisch aufgeladen.
Was hat die Reform geändert?
Die große Veränderung ist die Durchsetzung vom Prinzip „Nein heißt Nein“, im Fall von Vergewaltigungen. Das Opfer muss sich nicht erst wehren, damit eine Vergewaltigung erkannt wird. Es ist ein positiver Schritt für die sexuelle Selbstbestimmung.
Braucht man nicht ein Ja?
Es gibt in der feministischen Praxis längst die Idee, dass Nein nicht reicht und dass nur Ja ja heißt. Ich weiß aber nicht, ob das das Gesetz bestimmen kann. Es gibt sowieso gesetzlich noch sehr viel zu tun.
Interview Adèle Cailleteau
Lesung und Diskussion: „Wege zum Nein“ mit Sina Holst und Johanna Montanari, 19 Uhr, Von-Melle-Park 5, Raum 0079
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen