Ein Land stürzt ab: Ciao, bella Italia!
Die Bilder von Müllbergen und rassistischen Übergriffen, aber auch die hohen Preise und schlechter Service vergraulen viele Italienfans. Die Tourismusbranche verzeichnet Einbrüche
In den Straßen Neapels türmen sich Berge von stinkenden Mülltüten. Ein Teil der Büffelmozzarellas aus dem Umland der Stadt ist mit Dioxin vergiftet. In italienischen Billigweinen schwimmen Salzsäure und Düngemittel. Und hier und da stürzen sich rechte Prügelgruppen auf Immigranten, Roma oder Schwule. Das ist das schlechte Bild, das Italien derzeit in den internationalen Medien abgibt. Und dies bleibt nicht ohne Folgen.
Das bekommt auch Elke Hochmuth, die deutsche Touristen durch Rom führt, zu spüren. Ihre Reisegruppen setzen sich aus weltoffenen Urlauberinnen und Urlaubern zusammen, die sich nicht nur für antike Ruinen, sondern auch für sozialen Wohnungsbau interessieren. Doch gerade sie werden durch die schlechten Nachrichten und den politischen Rechtsruck im Land nach dem Wahlsieg der rechtspopulistischen Allianz von Silvio Berlusconi verschreckt. "Ich hatte Anfang Mai die letzte Gruppe. Viele erzählten aber, dass sie nur gekommen sind, weil sie schon gebucht hatten", sagt die Reiseführerin.
Die jüngsten Daten bestätigen, dass dies der allgemeine Trend ist. Die italienische Tourismusbranche leidet in diesem Jahr unter gravierenden Einbrüchen. Den Zahlen des Instituts für Statistik, Istat, zufolge gab es in den italienischen Hotels während der Osterferien 3,5 Prozent weniger italienische und 9,9 Prozent weniger ausländische Gäste als im Vorjahr. Am härtesten trifft es den Süden und die Inseln: Die Präsenz der Ausländer ist hier um 22,4 Prozent gesunken. Auch die großen Ferienclubs verzeichnen Einbußen. Weniger Probleme scheinen die preisgünstigeren Bed-and-Breakfast-Angebote, aber auch ländliche Gebiete zu haben, wo es - wie unter anderem in der Toskana oder in Umbrien - ein gewisses Umweltbewusstsein gibt, kulturelle und kulinarische Traditionen gepflegt werden und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.
Auch die oft überhöhten Preise, unter denen am meisten natürlich die Italienerinnen und Italiener leiden, schrecken Besucher ab. Zu den anderen großen Problemen der Tourismusbranche gehören der unkontrollierte Autoverkehr, der oft sehr mangelhafte Service in Hotels und Restaurants und die immer noch geringen Möglichkeiten, online zu buchen. Abschreckend wirken auch Plastiktüten und anderer Müll, der nicht nur in Neapel, sondern auch an Stränden und auf Wiesen herumliegt. Dazu ein beunruhigendes Forschungsergebnis: Nach einer Studie der Mailänder Privatuni UILM wissen 52 Prozent der Italiener nicht, was "nachhaltige Entwicklung im Tourismus" bedeutet. Wen wundert es da, dass es kaum Widerstand gibt, wenn Berlusconi und Co ihre Villen direkt an naturgeschützten Stränden bauen.
Wo dann, wie in Neapel, noch die mafiöse Organisation Camorra jede Maßnahme gegen Umweltzerstörung boykottiert, ist kaum noch was zu retten. Die Einnahmen der Tourismusbranche der Region Kampanien gingen bereits 2007 um 70 Millionen Euro zurück. "Es ist schlimmer als bei der letzten Choleraepidemie", behauptet ein Hotelier.
Dennoch hat ein tapferer Umweltassessor in den letzten Wochen eine Kampagne lanciert, um das schwer angeschlagene Image der Stadt aufzupolieren. Sein Team ließ in zwölf großen internationalen Flughäfen Riesenplakate mit idyllischen Postkartenmotiven von bella Napoli plakatieren. Den Text stellen die negativen Schlagzeilen der Presse, die in good news umgewandelt werden. So heißt es in der englischen Version: "Neapel versinkt unter einem Berg von … Kunst." Auch im Frankfurter Flughafen wurde Ende April eines der Megaplakate aufgehängt. Auf Deutsch lautet der Slogan "Neapels Straßen sind voller … Schönheit." Nach den vielen hässlichen Bildern der Stadt, müssten die idyllischen Ansichten zumindest überraschtes Interesse erregen, so das Kalkül.
Das Problem ist allerdings, dass der Müll immer noch herumliegt. Stefano Ceci, Chef des international operierenden Tourismusunternehmens GH und Marketingexperte der Branche, findet es richtig, dass die Neapeler in die Offensive gegangen sind. Er weiß aber auch: "Jetzt muss die Politik schnell handeln, um das Müllproblem dauerhaft zu lösen. Denn aus einer Kröte wird noch lange kein Prinz, wenn die Werbung sie küsst."
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