Eilantrag gegen Vorratsdatenspeicherung: Der Fall, den alle haben wollen
Der Eilantrag gegen die Speicherung der Verbindungsdaten steckt fest, weil die zwei Senate des Verfassungsgerichts streiten, wer entscheiden darf.
FREIBURG taz Anwalt Meinhard Starostik wollte eine ganz schnelle Entscheidung, doch in Karlsruhe mahlen die Mühlen langsam. An Silvester stellte Starostik einen Eilantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung, der von 30.000 Menschen unterstützt wird. Das neue Gesetz soll vom Verfassungsgericht sofort und bis zum endgültigen Urteil auf Eis gelegt werden, forderte er. Doch die erhoffte Eilentscheidung lässt auf sich warten - weil sich die Richter darum streiten, wer das spannende Verfahren bearbeiten darf.
Seit dem Jahreswechsel müssen Telefonfirmen sechs Monate lang speichern, wer wann mit wem telefoniert oder gemailt hat, wer wann wie lang im Internet war und an welchem Ort ein Handy telefoniert oder gesimst hat. Teilweise sollen Daten, die bei den Providern schon heute vorhanden sind, länger als bisher gespeichert werden, andere Angaben werden erstmals erfasst.
Die Gegner sind sich in ihrem Eilantrag sicher: Sobald das Gesetz in Kraft tritt, drohen "gravierende Nachteile". Aus Angst vor Überwachung könnten Menschen in Not auf Anrufe bei Beratungsstellen verzichten, Informanten könnten den Kontakt zu Journalisten abbrechen.
Eigentlich ist das ein klarer Fall für den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts, der die meisten Grundrechtsklagen bearbeitet. Dort ist der liberale Richter Wolfgang Hoffmann-Riem für den Datenschutz zuständig. Gerade bereitet er das Urteil zur Online-Durchsuchung von Computern vor. Ende März scheidet er altershalber aus. Ein Eilbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung könnte ein letztes Highlight in seiner Karriere als Verfassungsrichter sein.
Doch auch der konservative Udo Di Fabio aus dem Zweiten Senat will das Verfahren betreuen. Sein Argument: Das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung setzt im Wesentlichen eine EU-Richtlinie um - und für Europarecht sei nun mal er zuständig.
Jetzt hängen die Eilanträge in der Luft. Denn bis zur Klärung der Zuständigkeit ist niemand für den Fall verantwortlich. In Karlsruhe wird damit gerechnet, dass die Richter zunächst lange Schriftsätze wechseln, in denen sie begründen, warum ihr Senat den Fall bekommen soll und der andere nicht.
Es geht dabei um Grundsätzliches. Wenn jeder Bezug zu EU-Recht die Zuständigkeit von Di Fabio und seinem Zweiten Senat begründet, dann würde das die Gewichte in Karlsruhe massiv verschieben. Schließlich haben immer mehr Rechtsakte eine Vorgeschichte in Brüssel. Außerdem könnte der EU-Skeptiker Di Fabio die Vorratsdatenspeicherung zum Anlass nehmen, um im Bündnis mit linken Richtern den grundsätzlichen Vorrang von EU-Recht in Frage zu stellen.
Auf ein solches Bündnis im Zweiten Senat setzen aber nicht einmal die Kläger. "Wir halten den Ersten Senat für zuständig, unser Schwerpunkt liegt nicht auf dem Europarecht", sagte Klägeranwalt Starostik nach der Abgabe der Klage an Silvester. Das deutsche Gesetz gehe schließlich über EU-Vorgaben hinaus.
Können sich die Karlsruher Richter nicht einigen, wird ein Sechser-Ausschuss einberufen, dem je drei Mitglieder beider Senate angehören. Im Falle eines Patts entscheidet der Präsident Hans-Jürgen Papier. Und der gehört dem Ersten Senat an.
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