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Eigentumsregelung als „Zerreißprobe“ für FDP

■ Union will Rückgabe an Investitionsverpflichtung binden/ HBV plädiert für Entschädigungen

Hamburg (dpa) — Die Regelung der Eigentumsfrage in den fünf neuen Bundesländern scheint für die FDP zur Zerreißprobe zu werden. Während sich die Unionsparteien CDU/CSU am Wochenende für die im Einigungsvertrag vorgesehene „Rückgabe vor Entschädigung“ aussprachen und daran eine Investitionsverpflichtung knüpfen wollen, spalten sich die Liberalen in zwei Lager. Ausgelöst wurde der Streit von Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann, der Entschädigungen einer Rückgabe vorzieht. FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff, der wie Justizminister Klaus Kinkel die Rückgabe enteigneten Besitzes befürwortet, forderte ein Ende der parteiinternen Kontroverse. Nicht viel Lob erntete der Graf auf dem Parteitag der brandenburgischen Liberalen in Cottbus. Die Ost- Deligierten forderten, das Prinzip der Eigentumsregelung umzukehren, um schnell Investoren anzulocken und so die rapide steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Deutlich hinter die Gesetzesvorlage Kinkels stellte sich dagegen FDP-Vorständlerin Hildegard Hamm-Brücher, die zugleich Wirtschaftsminister Möllemann scharf kritisierte. „Seine Wendigkeit und sein Publizitätsdrang wirken auf viele abstoßend“, erklärte die FDP- Seniorin in einem Zeitungsinterview, „Kinkel ist wesentlich solider als Möllemann“. Die Eigentumsfrage bringe die Partei „in eine schlimme Zerreißprobe“, die Stimmung gleiche einem „liberalen Katzenjammer“. Folge der Auseinandersetzung sei eine Schwächung Lambsdorffs und möglicherweise die „entscheidende Stärkung Möllemanns.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Bohl, erklärte, von einer Umkehrung des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung“ seien keine „positiven Effekte“ zu erwarten. Schädliche Grundstücksspekulationen müßten vermieden werden; zum Abbau von Investitionshemmnissen müßten pragmatische Lösungen beschlossen werden. Zudem sollten die Grundbuchämter personell besser ausgestattet werden.

Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) befürwortete dagegen eine Entschädigungsregelung. Eine entsprechende Änderung des Einigungsvertrages in der Eigentumsfrage und eine gegebenenfalls dazu notwendige Grundgesetzänderung seien die Schlüsselvoraussetzungen für den Aufbau neuer wirtschaftlicher Strukturen in Ostdeutschland, sagte HBV-Vorsitzender Lorenz Schwegler. Unterstützung kam auch von dem stellvertretenden SPD-Bundestagsvorsitzenden Wolfgang Thierse. Möllemanns Vorschlag sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Thierse auf dem Parteitag der südbayerischen SPD in Haar.

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