Ehegattennachzug scheitert: Sprachtests verhindern Familienleben
Ein gutes Drittel aller Teilnehmer besteht den für den Ehegattennachzug erforderlichen Sprachtest nicht - und muss weiter im Ausland bleiben. Das sei familienfeindlich, meinen Linke und Grüne.
![](https://taz.de/picture/316892/14/test_01.jpg)
BERLIN tazAls Sina West nach ihrem Abitur in einem Kinderheim in Kenia arbeitete, verliebte sie sich in einen Kollegen. Nach ihrer Rückkehr führte das Paar erst eine Fernbeziehung, dann heiratete es und wollte gemeinsam in Deutschland leben. Doch kurz zuvor hatte die große Koalition das Zuwanderungsgesetz verschärft: Ehepartner aus Nicht-EU-Staaten dürfen nun nur nach Deutschland nachziehen, wenn sie einfache Deutschkenntnisse nachweisen können.
Teddy West zog ins 500 Kilometer entfernte Nairobi, um am dortigen Goethe-Institut einen Deutschkurs zu belegen. Dann gab es Unruhen, das Institut machte vorübergehend zu, West wurde verhaftet und kam wieder frei. Schließlich konnte er den Sprachtest absolvieren. "Aber er fiel durch", sagt Sina West. "Von den 92 Leuten haben nur 2 bestanden."
Teddy West ist kein Einzelfall. Ein gutes Drittel aller Teilnehmer fällt durch den Test. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt. Der Anteil derer, die durch die Prüfung fallen, stieg im Jahr 2009 mit 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sogar noch leicht an. Prüflinge, die zuvor keinen Sprachkurs an einem Goethe-Institut belegen, bestehen den Test sogar zu 40 Prozent nicht. Im Durchschnitt macht nur jeder fünfte Prüfling zuvor einen solchen Kurs.
Das zeigt aus Sicht der Linken, dass die derzeitige Praxis das Grundrecht auf Familienzusammenleben verletzt. Die Eheleute müssen zwangsläufig getrennt leben, solange kein Deutschzertifikat vorliegt. "Diese Einschränkung der Familienzusammenführung muss beendet werden", fordert die migrationspolitische Sprecherin, Sevim Dagdelen.
Ähnlich sehen es auch die Grünen. "Das ist eine integrations- und familienfeindliche Regelung", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Josef Winkler und verweist darauf, dass die ehemalige Bundesregierung mit der Gesetzesverschärfung Zwangsheiraten verhindern und Integration fördern wollte. "Belegt ist das bislang nicht." Sicher aber habe die Regelung "viele tragische Schicksale" produziert.
Teddy West hatte kurz nach dem Sprachtest einen schweren Autounfall. Seine Frau zog zu ihm nach Kenia - und wurde schwanger. Das änderte die Rechtslage. Als Vater eines deutschen Kindes brauchte West keine Deutschkenntnisse nachweisen. Inzwischen lebt die Familie hier. "Obwohl wir das Gefühl hatten", sagt Sina West, "wir sind nicht erwünscht."
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