Egon Krenz auf Buchtour: Zu Gast bei rechten Freunden
Der Ex-DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz ist als Gastredner bei der „Antiimperalistischen Plattform“. Die ist eine kuriose rechte Splittergruppe.
BERLIN taz | Egon Krenz, der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR, lässt keine Gelegenheit aus, sein im Sommer veröffentlichtes Buch über Amtsvorgänger Walter Ulbricht zu bewerben – so etwa Ende November als Gastredner auf einer Veranstaltung der rechten Splittergruppe „Antiimperalistische Plattform“ (AIP). Die Veranstaltung „vor einem ausgewählten Publikum“ in einer Altberliner Gaststätte fand bereits Ende November statt, wurde aber erst jetzt vom Veranstalter öffentlich gemacht.
Dem Veranstalter zufolge hätte Krenz „über sein ereignisreiches Leben in der DDR und danach“ referiert. Dem Publikum wäre „ein einmaliger und authentischer Blick hinter die Kulissen großer Weltpolitik“ geboten worden, nicht ohne Kritik „sowohl am System der DDR als auch der BRD“.
Hinter der „Antiimperialistischen Plattform“, einer kurios anmutenden rechten Splittergruppe, steht der Berliner Michael Koth. Koth engagierte sich bis zur Wende in dem Westberliner SED-Ableger SEW. Im Laufe der 1990er Jahre wechselte er zur extremen Rechten und mäanderte durch das rechte Spektrum. Angelehnt an den sogenannten sozialistischen Strasser-Flügel der NSDAP, vertritt er vermeintliche „sozialrevolutionäre“ Ansichten und sucht den Schulterschluss zwischen der extremen Rechten und solchen Linken, die er für national hält.
Von 1995 bis 1998 war Koth Vorsitzender der rechten Splitterpartei „Partei der Arbeit Deutschlands“. Koth publizierte in Nazipostillen und trat als Redner auf Neonaziveranstaltungen auf. 1998 verhalf er sächsischen NPD-Politikern zu einer Audienz in der nordkoreanischen Botschaft in Berlin. Sein Herz schlägt für das Regime der Kims. Die AIP gratuliert und kondoliert regelmäßig in der nordkoreanischen Botschaft in Berlin zu Geburts- und Todestagen der Diktatoren.
Aber auch andere Machthaber, mit denen die AIP die Feindbilder USA, Israel und Imperialismus teilen, hofiert sie: den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein, die Gaddafi-Familie in Libyen, den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Achmatowitsch Kadyrow. Ob Egon Krenz der Rechtsdrall seiner Gastgeber nicht aufgefallen ist, bleibt unklar. Er war bisher für die taz nicht erreichbar.
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