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Effizienz-Richtlinie der EU umdefiniertBerlin trickst bei Energiesparzielen

Deutschland sagt ja zum Energiesparen - allerdings nur auf freiwilliger Basis. Das 20-Prozent-Ziel der EU-Kommission wird dafür einfach zugunsten der Industrie verdreht.

Deutschlands erster kommerzieller Offshore-Windpark in der Nordsee. Bild: dapd

BERLIN dapd/dpa | Bei der geplanten Energieeffizienz-Richtlinie der EU will die Bundesregierung verhindern, dass konkrete Maßnahmen für alle Mitgliedsländer verbindlich festgelegt werden.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte am Dienstag nach einem Treffen mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Bauminister Peter Ramsauer (CSU) sowie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), Deutschland unterstütze das Ziel der EU-Kommission, bis 2020 in Europa 20 Prozent Energie einzusparen. Allerdings habe man sich darauf verständigt, bei der Richtlinie auf Freiwilligkeit zu setzen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) hatte unter anderem vorgeschlagen, dass Energieversorger ihren Kunden durch Fachberatung und Tipps zur effizienteren Nutzung von Energie helfen sollten, 1,5 Prozent Energie einzusparen.

Über diese konkrete Vorgabe hatte sich vor allem Wirtschaftsminister Rösler aufgeregt. "Zwangsmaßnahmen für unsere Unternehmen sind der falsche Weg", sagte er. "Die Energiewende schaffen wir nur mit, nicht gegen diese Unternehmen."

Einsparungen in Abhängigkeit vom Wachstum

Röttgen wiederum hatte darauf verwiesen, dass klar werden müsse, wie man die EU-weiten Einsparziele bis 2020 erreichen wolle. Oettingers Vorschläge entsprächen "unserem eigenen, im Energiekonzept beschlossenen Einsparziel".

Energieeffizienz sei "die wirtschaftlich vernünftigste Form der Energiepolitik" und neben den erneuerbaren Energien die zweite Säule der Energiepolitik. "Ambitionierte Ziele in ganz Europa sind deshalb in unserem besonderen ökonomischen Interesse", so Röttgen.

Nun sieht es so aus, als wolle die Bundesregierung das 20-Prozent-Ziel anders definieren als die EU-Kommission. Diese hatte 2007 Prognosen zum Energieverbrauch im Jahr 2020 zugrunde gelegt, die in Öläquivalente umgerechnet waren. Diese sollten um 20 Prozent gemindert werden. Die Bundesregierung will aber die Einsparung von 20 Prozent an der Energieproduktivität messen, also in Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum. Bei besonders starkem Wachstum dürfte also mehr Energie verbraucht werden, als die EU bislang geplant hat.

Einig waren sich zudem Wirtschafts- und Umweltministerium nach Angaben aus ihren Kreisen bei der Sanierungsquote für öffentliche Gebäude. Die EU sah hier jährlich drei Prozent vor, Deutschland hält nur zwei Prozent für machbar.

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5 Kommentare

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  • LF
    Lukas Feldmeier

    Klaus hat in der Sache völlig Recht. Übrigens würde es der Sache guttun, wenn wir alle mal sachlich diskutieren - so wie Klaus - und nicht Andersdenkende mit Beschimpfungen, Verleumdungen und Kampfbegriffen zu diskreditieren versuchen würden. Was bitte hat die gegenwärtige Diskussion über Energiesparen mit dem Massenmörder Mao und wer den irgendwann angeblich gut fand, zu tun??? (Nebenbei: Ich bin Grüner und als solcher mir völlig sicher, dass in unserer Partei keineR auch nur einen Funken Sympathie für Totalitarismus jeglicher Couleur hat. Eine Anerkennung dieser Tatsache würde ich mir auch vom politischen Gegner, dem Sie, Peter, wohl angehören, auch wünschen.)

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    Klaus Becker

    @Hari Seldon:

    Ich bin Marktwirtschaftler und Demokrat und lasse mich nicht mit Kommunisten in einen Topf werfen. Ihr Kommentar enthält eine Mischung aus Diffamierung ("SED, Kommunisten, Zwangsmaßnahmen, Lobbyismus"), Phrasen ("nicht marktfähig") und Ablenkungsmanövern ("auf Rücken der Bevölkerung, Pleite"). Haben Sie einen besseren Vorschlag unterbreitet als Oettinger? Nein.

     

    Lobbyismus pur werfen Sie mir vor, weil ich Oettingers Vorschlag unterstütze? Dann lesen Sie bitte den TAZ-Artikel vom 25.11.2011, "Brüsseler Drehtüreffekt", dort ist der Fall Derek Taylor geschildert, ein katastrophales Beispiel von tatsächlichem Lobbyismus. Weitere Beispiele sind Philipp Rösler, Wolfgang Clement, Wolfgang Müller (erster Bundeswirtschaftsminister unter Schröder, direkt vor und nach der einen Wahlperiode bei EON tätig, klingelt da was bei Ihnen?), Dick Cheney und Konsorten. Diese wollen die Energiebranche einfach unverändert halten, technisch wie hinsichtlich der Großkonzern-Strukturen. Sie wollen aus nacktem Eigennutz die Energiewende blockieren.

     

    Ihr Trick besteht darin, nur die heutigen Marktpreise von Energie ohne jede Berücksichtigung der externen Kosten, d.h. des Werts der tatsächlichen Umweltschäden, als Diskussionsgrundlage zu nehmen. Und dann fällen sie einfach mit der Killerphrase "nicht marktfähig" ein Generalurteil über umweltfreundliche Techniken.

     

    Das ist umweltökonomischer Unsinn, technisch kraß rückschrittlich und volkswirtschaftlich insbesondere für Deutschland ziemlich dumm. Vor allem aber ist es eine absolut nicht nachhaltige Denkweise, einfach zu behaupten, "der Markt" werde schon irgendwie irgendwo irgendwann die Umweltprobleme von selber lösen. Das hat er generationenlang ganz unübersehbar nicht getan.

     

    Noch einmal: Ich bin Marktwirtschaftler. Markt ist viel effizienter und auch demokratischer als Plan. Aber technische Ziele und Vorschriften muß die Politik zum Wohle aller vorgeben können, nur dort, wo es nötig ist. Dann können die Marktteilnehmer im Wettbewerb immer bessere und billigere Lösungen anbieten. Auf anderen Gebieten funktioniert das, bei der Umwelt bislang erst in Ansätzen, bei der Energiewende noch viel zuwenig.

     

    Der Markt könnte Umweltprobleme lösen, und er WIRD es auch tun. Aber nur, wenn die Umweltschäden aus Produktion und Konsum zu erheblichen Teilen Bestandteil der Marktpreise sind. Und das sind sie heute eben nicht. Hier können klug gestaltete Ökosteuern ein Teil der Problemlösung sein. Durch die verzerrte Preisstruktur finden ja heute Fehlallokationen statt, zum Nachteil der Umwelt, zum Nachteil der Erneuerbaren Energien und der Energie-Effizienz. An diesem Aspekt geht das Geschimpfe über Kommunismus vollkommen vorbei.

     

    Die Preise müssen die Wahrheit sagen (Ernst-Ulrich von Weizsäcker). Lesen Sie mal Weizsäckers Buch "Faktor fünf". Und die UN-Berichte über die Risiken und Schäden eines sich selbst überlassenen Klimawandels. Und die Veröffentlichungen von Rückversicherungsunternehmen.

     

    Die Energiewende wird dringend gebraucht. Sie wird aus dem Umstieg auf Erneuerbare Energien und aus einer Effizienzsteigerung bestehen. Riesige Energie-Effizienzreserven, mit heutiger Technik durchaus machbar, werden nicht realisiert. Gerade das ist ja das Ärgerliche, daß heute auch in Deutschland mehr als zwei Drittel aller Energie einfach nur glatt verschwendet (!) und nicht genutzt werden. Aber Hari Seldon jammert über "Zwangsmaßnahmen". Verschwendung zu beenden ist konservativ und nützlich und nicht etwa kommunistisch. Lumpige eineinhalb Prozent (laut TAZ-Artikel) Effizienzverbesserung pro Jahr diffamieren Sie als kommunistisch - ein Ingenieur kann darüber nur lachen.

     

    Und dabei bleibe ich: Die FDP hat keinerlei Konzept für die Energiewende, sondern sagt immer nur von der Warte der Strukturkonservativen aus, was alles angeblich nicht funktionieren könne. Politische Gestaltung einer nicht mehr zu umgehenden (und immer mühsamer abzustreitenden) Jahrhundertaufgabe sieht ganz anders aus. Energie- und umweltpolitisch haben auch bei der CDU viele die Zeichen der Zeit erkannt, bei der FDP noch niemand. Big money rules. But nature does not do bail-outs.

  • PS
    Peter S.

    @Hari Seldon: Der politische Ursprung der "Grünen" liegt in der kommunistischen Ecke, genug "Spitzenkräfte" der "Grünen" stammen von dort und deren Propaganda ist fast 1:1 von den beiden deutschen Diktaturen übernommen worden. Diese Leute liefen mit der Mao-Bibel durch die Gegend und haben diesen Massenmörder angebetet. Dass dann deren Anhänger, siehe Klaus Becker, totalitäre Staatshandlungen fordern, ist daher nicht überraschend. Dass die "Grünen" selbst intern demokratische Spielregeln nicht beherrschen, sieht man in Berlin.

  • HS
    Hari Seldon

    @klaus becker Sie schreiben: "den dringend benötigten Fortschritt blockieren." Bitte, meinen Sie, dass Zwangsmassnaghmen und künstlich verursachte Energieknappheit "Forschtritt" wären? Ihre Aussagen wie aus einem Parteikongress der SED. Ich dachte, dass diese SED-Zeiten schon vorbei wären. Techniken, die sich nur mit Staatsgewalt durchsetzen können---weil die nicht marktfähig sind---sind künstlich aufgezüchtete Industrien auf Rücken (und Kosten) der Bevölkerung. Die Kommunisten waren diejenige, welche diesen Weg bevorzugt haben. Das Ergebnis (Pleite) ist wohl bekannt. Lobbysmus: Genau Sie betreiben Lobbysmus pur für nicht marktfähige Technologien, welche anderweitig nicht überleben könnten.

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    Klaus Becker

    Erschütternd, wie die FDP und die Großindustrie-Lobbyisten in der CDU den dringend benötigten Fortschritt blockieren. Sie stecken geistig in den 60er Jahren, vor der ersten "Ölkrise". Diese Leute ignorieren die Argumente des Umweltausschusses des Bundestages zum Thema Energie-Effizienz und erneuerbare Energien. Maximal jedes fünfzigste Haus könne Deutschland jedes Jahr energetisch sanieren? Mehr sei nicht drin, Herr Rösler? Was soll das? Es sei Planwirtschaft, wenn auch nur drei Prozent Energieeinsparung im Jahr angestrebt werden sollen? So reden Bushniks und Cheneyianer.

     

    Die FDP läßt sich immer wieder um ihres behaupteten Sachverstands in Wirtschaftsfragen wählen. Da müßte Rösler doch wissen, daß rein freiwillige "Maßnahmen" diesen Namen nicht verdienen. Da könnte man genausogut Plakatekleben als einziges Mittel der Umweltpolitik propagieren. Mit zu billiger Energie wird geaast, der CO2-Zertifikatehandel ist bislang eine Spiegelfechterei, die Effizienz-Reserven sind gewaltig, neue Techniken stehen bereit. Und der FDP ist trotzdem noch nie ein Vorschlag eingefallen, wie man die Energiewende wirklich voranbringt. Nature does not do bail-outs (Al Gore).

     

    Ich habe Mitleid mit den Bundes-Umweltministern, ob Klaus Töpfer (ein guter Mann!), Jürgen Trittin oder Norbert Röttgen, die von ihren eigenen Kanzlern und Kabinettskollegen zur Wirkungslosigkeit verdammt wurden.