: Edle und seltene Gewächse
Brauereitechnologie, Vorderasiatische Altertumskunde und andere Orchideenfächer führen ein bedrohtes Dasein ■ Von Matthias Fink
Wer Mittellateinische Philologie, Geologie-Paläontologie oder Informationswissenschaften studiert, hat immer ein Gesprächsthema parat. Dann gilt es, die verschlungenen Pfade nachzuzeichnen, die die wissenschaftliche Forschung in mancher Randdisziplin verfolgt. Bekannt sind aus diesen kleinen Fächern der Hochschulen eher oberflächliche Phänomene: Der Professor kennt alle Studierenden mit Namen, weil es so wenige sind. Von der Massenuniversität spürt man dort nicht viel, vor allem, wenn das Institut in einer wildumwucherten Villa untergebracht ist. Natürlich existiert eine gut ausgerüstete Bibliothek, die, dank ihrer verwunschenen Lage, auch nie überfüllt ist.
Doch ganz so idyllisch geht es an den kleinen Fächern der Berliner Universitäten nicht zu. Zwar unterrichten, statistisch betrachtet, mehr DozentInnen weniger StudentInnen als in Jura und Maschinenbau, aber das heißt noch lange nicht, daß die Studierenden dadurch schneller fertig werden. „Gute Betreuung heißt eher, daß man noch mehr macht,“ sagt Traugott Klose, Leiter der Abteilung Studienangelegenheiten an der Freien Universität. So erfordern Fächer wie Altorientalistik, Islamwissenschaft oder Vietnamistik Sprachkenntnisse, die kaum jemand von der Schule mitbringt. In Kursen an der Uni kann man die Qualifikation erwerben – und dabei Appetit auf mehr bekommen. Wer sich dann in die Sprache vertieft, verlängert seine Studienzeit über das vorgesehene Maß hinaus. „15 bis 16 Semester sind ganz normal“, meint Klose.
Manche Studiengänge beackern ein sehr eng begrenztes, aber spezialisiertes Gebiet. Wer das Magisterfach „Vorderasiatische Altertumskunde“ belegt, besucht dort Kurse wie „Einführung in die Akkadische Sprache“ und „Unterweisung in den archäologischen Techniken“. Andere Fächer integrieren hingegen Bestandteile verschiedener Fächer. „Tourismus mit den Schwerpunkten Management und regionale Fremdenverkehrsplanung“ ist ein solches Fach, das an der FU als Ergänzungsstudiengang angeboten wird. Betriebswirtschaftslehre, Geographie, Geschichts- und Kulturwissenschaften werden eingebracht, soweit sich dort „tourismusrelevantes Grundlagenwissen“ findet.
Oft sind die Studierenden der kleinen Fächer auch gar nicht unter sich. Ihre Lehrveranstaltungen stehen auch auf dem Programm anderer StudentInnen, die diesen Schwerpunkt im Rahmen eines anderen Studiengangs gewählt haben. So hat nur jeder zweite, der an der TU in den Seminaren des Studiengangs „Wissenschafts- und Technigeschichte“ sitzt, tatsächlich dieses Magisterhauptfach im StudentInnenausweis stehen.
Gerne werden solche Studiengänge als „Orchideenfächer“ bezeichnet. Assoziationen an edle, seltene Gewächse erzeugen schließlich Respekt. Der ist für ihre Existenz wichtig. Seit die Berliner Politik den Hochschulen Gelder kürzt, stehen die Fächer stärker unter Druck als früher. Häufiger erschallt nun das Argument, ein Studiengang sei zu klein und damit unökonomisch.
An der TU sind die Magisterstudiengänge Geographie, Latein und Politologie eingestellt worden. „Es ist letztlich leichter, einen kleinen Studiengang zu schließen, als bei einem großen zu kürzen“, resümmiert Claus Collosius vom Hochschulreferat des TU-Asta. „Weniger Leute wehren sich dagegen, und man muß sich auch weniger Gedanken machen, welchen Teil man herausnimmt.“ Gegenwärtig müssen an der TU aber eher die größeren Fächer bluten.
Auch an der Freien Universität genießen die kleinen Fächer relativen Schutz. „Im Prinzip will man alle behalten“, weiß Jochen Geppert, Kuratoriumsmitglied an der FU. Skandinavistik und Bibliothekswissenschaften wurden trotzdem mit den entsprechenden Bereichen an der Humboldt-Uni verschmolzen. Bei der Evangelischen Theologie gibt es nur noch eine Professur.
Aber wer würde schon den Studiengang „Brauereitechnologie“ an der TU einstellen? Für den viersemestrigen Fachstudiengang schreiben sich jedes Jahr 30 Leute neu ein, rund 90 Prozent Männer. „Ein vergleichbares Angebot gibt es auf der Welt nur noch in Weihenstephan in Bayern“, wird an der TU gern betont.
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