: Ecstasy-Schnelltest soll Raver locken
■ Drogenbeauftragter und Beratungsstellen wollen mobile Tests, mit denen Pillen bei Events vor Ort geprüft werden können
Der Raver bröckelt einen Teil seiner Pille ab – Speed oder Ecstasy – und legt die Krümel auf einen Teststreifen. Ein Drogenberater steht daneben, checkt mit Hilfe von Flüssigkeit und Verfärbung die Inhaltsstoffe: der Schnelltest. Danach wissen beide, ob die Pille überhaupt das aufputschende Amphetamin oder das glücksbringende Methamphetamin enthält. Gleichzeitig kann der Drogenberater verunreinigte oder überdosierte Pillen, die für den Raver gefährlich sind, erkennen. Was im Moment nur in Hannover durchgeführt und für Hessen ernsthaft diskutiert wird, könnte bald auch in Bremen möglich sein.
Denn die Arbeitsgemeinschaft „Partyprojekt“diskutiert darüber, ob Ravern, die synthetische Drogen konsumieren, bei größeren Techno-Ereignissen im Raum Bremen ein Schnelltest angeboten werden soll. In der Arbeitsgemeinschaft arbeitet der Drogenbeauftragte des Landes Bremen Ingo Michels zusammen mit verschiedenen Bremer Drogenberatungsstellen.
„Der Test wäre lediglich ein Angebot, um an die Szene heranzukommen“, sagt Michels. Denn die meisten Ecstasy- und Speed- Konsumenten betrachten sich nicht als drogenabhängig. „Die wenigsten kommen jemals zu einer Beratungsstelle.“Gäbe es aber vor Ort verschiedene Angebote der Drogenberatung - den Schnelltest, billige Getränke, um den Wasserverlust der verschwitzten Technotänzer auszugleichen, einen Chill-out-Bereich – könnten sie gleichzeitig aufklären. „Wir wollen zeigen, daß die Mischung Techno, Party und Pille nicht zwangsläufig ist“, erklärt Michels. Wer aber absolut nicht auf Drogen verzichten will, soll zumindest über die Gefahren und einen besseren Umgang mit ihnen Bescheid wissen.
Der Schnelltest ist umstritten. In einer Erklärung des hessischen Landeskriminalamtes heißt es: „Als allererster geht der Dealer zum Ecstasy-Test und läßt sich die Unbedenklichkeit seiner Pillen bescheinigen.“In Berlin wurde dem Verein „Eve and Rave“vor zwei Jahren verboten, den Test einzusetzen, weil er aus Sicht der Staatsanwaltschaft gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt. Außerdem gäben die Tests eine „Scheinsicherheit“, hatte Berlins Drogenbeauftragte Elfriede Koller erklärt.
Das sieht Lüder-Ulrich Meyer, Diplomchemiker an der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle in Bremen, genauso. „Der Konsument weiß nach dem Test auch nicht viel mehr“, sagt er. Das Schnellverfahren sei viel zu oberflächlich, um etwas Genaues über die Dosis oder Verunreinigung einer synthetischen Droge erfahren zu können. Nur eine mehrstündige Laboranalyse der Droge sei aussagekräftig. Deshalb warnt er vor dem Ad-hoc-Test.
„Das stimmt so nicht“, meint dagegen Peter Märtens von der Drogenberatung „Drobs“in Hannover. Seit fast drei Jahren steht die Drogenberatung mit ihrem doppelstöckigen Drogen-Info-Mobil vor einer Techno-Halle der Landeshauptstadt, um die jungen Raver zu versorgen und aufzuklären. Der Schnelltest spielt dabei eine wichtige Rolle. „Seitdem kommen viele in den Bus und fragen nach“, sagt Märtens. Zusätzlich schickt die Drobs mehrmals pro Monat Pillen in ein Labor, um sie genau untersuchen zu lassen. So kann die Pille des jeweiligen Ravers durch eine Kombination des Schnelltestes mit den Labortabellen in ihrer Gefährlichkeit eingeordnet werden.
20 Tote hat das Bundeskriminalamt 1996 im Zusammenhang mit Ecstasy und anderen synthetischen Drogen festgestellt, die Zahlen für 1997 sind noch nicht bekannt. In Bremen weiß aber weder der Drogenbeauftragte, noch die Polizei oder Frank Schmidt von der Drogenberatungsstelle Mitte von einem Ecstasy-Opfer. Auch das Ausmaß des Pillenkonsums in der Hansestadt ist unsicher, weil es kaum Kontakte zur Szene gibt. Von 1.800 Klienten der Drogenberatungsstelle sind lediglich 50 auf einem reinen Pillentrip. Wieviele konsumieren, und ob man ihnen helfen kann oder muß, weiß niemand, bevor die Drogenberater nicht an die Raver herankommen. susa
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