East Side Gallery: Wowereit springt in die Bresche
Der Regierende Bürgermeister will Investor und Bezirk an einen Tisch holen, um einen weiteren Abriss von Teilen der Mauer in Friedrichshain zu verhindern.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geht davon aus, dass sich ein weiterer Abriss von Mauerstücken an der East Side Gallery in Friedrichshain vermeiden lässt. „Nach Rücksprache mit den privaten Investoren und dem Bezirk ist mir klar geworden, dass es Alternativen gibt“, sagte Wowereit am Dienstag im Roten Rathaus. Als Zufahrt zu dem geplanten Hochhaus am Spreeufer denkt er an zwei vorhandene Lücken: rund 100 Meter westlich und östlich jener Stelle auf Höhe einer geplanten Brücke, an der die Mauer auf 23 Meter Breite fallen sollte. Wowereit machte zugleich klar, dass der Senat zwar einen Abriss der Mauer, nicht aber das Hochhaus verhindern wolle.
„Ein Mauerstück haben sie rausreißen können, dann war Schluss“, raunt am Ort des Geschehens, gut zweieinhalb Kilometer vom Rathaus entfernt, ein junger Mann seiner Freundin zu. Nach massiven Protesten von rund 6.000 Demonstranten hatte die Polizei laut Wowereit einen Baustopp verhängt, um eine Eskalation zu vermeiden. So blieb es bei einer 1,20 Meter breiten Bresche in der Mauer, die am Dienstag provisorisch wieder geschlossen war.
Das meistgehasste Projekt
Kurz nachdem Wowereit davon berichtet hat, dass er nun alle Beteiligten an einen Tisch holen wolle, herrscht reger Betrieb auf jenem umstrittenen Stück Spreeufer, das mal der Oststrand war. Bauzäune sperren das Gelände ab, auf dem das umstrittene luxuriöse Hochhaus „Living Bauhaus“ entstehen soll. Links und rechts davon ist ein öffentlicher Uferpark. Der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz hatte das Haus gegenüber der taz jüngst „das meistgehasste Projekt im Bezirk“ genannt.
Der geplante 23 Meter breite Durchbruch war an der jetzigen Stelle gedacht, weil dort die bereits früher existierende Brommy-Brücke über die Spree münden sollte. Jetzt hält man es im grün geführten Bezirksamt offenbar nicht mehr für erforderlich, dass die Mauer auf gleicher Höhe durchbrochen wird. Auch die Investoren sollen sich eine andere Zufahrt vorstellen können, hieß es.
Folgendes ist für Wowereit eine Prüfung wert: zum einen eine Zufahrt dort, wo am „Yaam“-Club am Stralauer Platz der Mauerabschnitt beginnt. Die Hochhaus-Bewohner müssten dann mehr als 100 Meter längs der Mauer fahren, vorbei an den Parkbesuchern. Zum anderen: den derzeit gut vier Meter breiten Exzugang zum Oststrand verbreitern und als Zufahrt nutzen.
Wowereit gab sich erstaunt, dass Bürgermeister Schulz, der im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung über Jahre die Planungen begleitet und auch den Vertrag zum Abriss der Mauerteile verantwortet habe, nun anders auftrete. Schulz gehe „auf die Barrikaden gegen seine eigene Unterschrift“, sagte Wowereit.
Schulz wie das zurück: „Mit der breiten öffentlichen Unterstützung wollen wir nun einen neuen Anlauf unternehmen und die Landesebene davon überzeugen, dass die Planungen der 90er Jahre diesem historischen Ort nicht angemessen sind.“ Die Mauer dürfe nicht zum „Gartenhäuschen von Hochhäusern“ werden. Er verwies auf eine Online-Petition, die am Dienstag rund 70.000 Menschen unterschrieben.
Unter denen war auch der Name des SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß aufgetaucht. Schulz forderte ihn deshalb am Dienstag auf, sich gegenüber dem eigenen Senat dafür einzusetzen. Stöß-Sprecherin Josephine Steffen sagte der taz, Stöß habe sich dort gar nicht eingetragen. Das müsse jemand anderes ohne sein Wissen und unter seinem Namen getan haben. Deshalb gebe es auch keinen Dissens mit Wowereit. Stöß lehne zwar einen weiteren Abriss der East Side Gallery ab, befürworte aber die Erschließung.
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