EZB stemmt sich gegen die Krise: Brandbrief von EU-Präsident Barroso

Erstmals seit März kauft die Zentralbank wieder Staatsanleihen auf – Deutschland kritisiert das. Sogar Ratingagenturen hatten solche Maßnahmen verlangt.

Papandreou, Van Rompuy, Barroso: Nicht nur sie wollen den Euro retten. Bild: reuters

HAMBURG taz | Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf die drohende Ausweitung der Schuldenkrise auf Spanien und Italien mit dem erneuten Aufkauf von Staatsanleihen: Erstmals seit vier Monaten wurden am Donnerstag solche Geschäfte getätigt, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Frankfurt.

Für diese lange umstrittene Maßnahme habe sich der EZB-Rat "mit überwältigender Mehrheit" ausgesprochen. Den Schlüsselzins beließen die Notenbanker trotz steigender Inflation bei 1,5 Prozent.

Zuvor war ein Brandbrief von EU-Präsident José Manuel Barroso bekannt geworden. Er warnte davor, dass die Eurokrise sich auf ganz Europa ausweiten könnte. Barroso fordert die Mitgliedsländer der Eurozone auf, die im Juli beschlossenen Maßnahmen gegen die Schuldenkrise rasch umzusetzen und möglicherweise den Eurokrisenfonds weiter aufzustocken. Für den Start des neuen Eurorettungsfonds ESM bedarf es noch der Zustimmung von 17 nationalen Parlamenten. Bis es so weit ist, könnte die EZB eine "Brückenfunktion" wahrnehmen und wieder Anleihen von kriselnden Staaten kaufen, hatten Bankanalysten gefordert.

Angst vor einer zweiten Finanzkrise

Angst und Vorfreude dominieren derzeit das Handeln der Finanzmarktakteure. Angst vor einer zweiten Finanzkrise, in der Regierungen und Notenbanken keine Gegenmittel mehr finden - und die Hoffnung, aus der ungewissen Gemengelage Kapital zu schlagen. So war die gestrige turnusgemäße Sitzung der EZB mit Spannung erwartet worden. Die zentrale Frage, ob die EZB Staatsanleihen von Italien und Spanien kauft, um für Stabilität in der Währungsunion zu sorgen, war höchst umstritten.

In den Tagen vor der Ratssitzung waren entsprechende Forderungen vornehmlich aus dem linken politischen Lager und aus Frankreich laut geworden. Das Argument der Befürworter: Nur die Zentralbank mit ihrer theoretisch unbegrenzten finanziellen Kraft sei in der Lage, entsprechend mächtig als Käufer aufzutreten und so die Akteure auf den Finanzmärkten zu beruhigen.

Standard & Poors hatte Eingriff der EZB verlangt

Auch die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) hatte angesichts der Turbulenzen einen Eingriff der EZB verlangt, bis der Rettungsfonds ESM handlungsfähig ist. "Der einzige Feuerwehrmann, der uns schnell aus dem brennenden Haus tragen kann, ist die EZB, die seit Beginn der Krise bei der Beruhigung der Märkte eine bewundernswerte Rolle gespielt hat", sagte der Chefökonom für Europa, Jean-Michel Six, einem französischen Radiosender. Überwiegend konservative Kritiker, wie die schwarz-gelbe Bundesregierung und die Bundesbank, sperrten sich jedoch aus ordnungspolitischen, manche meinen: aus ideologischen Gründen gegen weitere Staatsanleihenkäufe.

Dabei gibt es den Sündenfall auch im Euroland schon. Als Reaktion auf die große Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Zentralbank 2008 mit ihren Grundsätzen gebrochen und mit einer aktiven Antikrisenpolitik begonnen. Bis dahin hatte sich die EZB - wie zuvor die Bundesbank - ganz auf die Bekämpfung der Inflation konzentriert. Dagegen greifen angelsächsische Zentralbanken häufiger ins wirtschaftliche Geschehen direkt ein. Der Vorreiter, die amerikanische Fed, hat sogar 1.600 Milliarden Dollar an "eigenen" US-Staatsanleihen gekauft.

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