EXVERFASSUNSRICHTER KIRCHHOF FORDERT VIEL MEHR GELD FÜR KINDER: Zahlen statt Konzepte
Schneller, höher, weiter. Die beste Familienpolitik macht, wer am meisten Kindergeld zahlt und Kindererziehung in der Rente am höchsten honoriert. An die Spitze des familienpolitischen Wettforderns hat sich am Wochenende der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof gesetzt. Seine Marke im Zweikampf: 1.000 Mark Kindergeld pro Kind und (für die Rentenberechnung) ein fiktiver Monatsverdienst von 2.000 Mark pro Kind und Monat. An dieser Leistung werden sich die Mitdiskutanten künftig orientieren müssen.
Das Geheimnis von Kirchhofs Vorschlag ist seine Konzentration aufs Wesentliche: „Es ist nicht so wichtig, ob die Produktivität steigt, ob das Bruttoinlandsprodukt steigt“, sondern, „ob die Zahl unserer Kinder und damit unsere Zukunftsfähigkeit steigt.“ Kirchhof befasst sich nicht mehr mit Nebensächlichkeiten, sondern konzentriert sich auf ein klares Einpunkteprogramm. Da kommen die Sozialpolitiker nun ins Grübeln. Bisher hatte man versucht, Steuern und Lohnnebenkosten im Zaum zu halten, um Wachstum zu fördern. Muss man davon nun Abstand nehmen, um den Familien mehr Geld zahlen zu können?
Natürlich nicht. Eine Fixierung auf die Kinderzahl ist so albern wie jeder monokausale Ansatz. Wenn die potenziellen Beitragszahler arbeitslos sind oder krisenbedingt nur wenig verdienen, ist die Zukunft der Sozialversicherung genauso gefährdet wie beim derzeitigen Kindermangel. Eine ideologische Verengung auf „unsere Kinder“ sollte daher selbst bei den konservatien Parteien nicht durchsetzbar sein.
Zumal das Rezept „Mehr Geld für mehr Kinder“ eine bloße Hoffnung ausdrückt. Es unterstellt: Junge Menschen verzichten nur auf Kinder, weil sie finanzielle Einbußen vermeiden wollen. Viel wichtiger dürfte jedoch sein, dass sie ihre beruflichen und privaten Lebensziele mit Kindern nur schwer verwirklichen können. Von einem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ist bei Kirchhof aber leider nicht die Rede. Der ehemalige Verfassungsrichter hat uns mit Zahlen beeindruckt, ein Konzept hat er nicht. CHRISTIAN RATH
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