EUROFACETTEN: Sichere Welt
■ Abschaffung nationaler Sicherheitsinteressen im EG-Binnenmarkt
Der Golfkrieg hat es in aller Schärfe offengelegt: So kann es nicht weitergehen mit dem Waffenhandel. Schließlich führte der Irak Krieg mit Waffen, die in europäischen Ländern produziert und ihm von diesen Ländern geliefert wurden, die er aber zum großen Teil nicht einmal bezahlt hat. Es ist an der Zeit, endlich umzusetzen, was die Grünen schon lange fordern: die Produktion und den Export von Waffen drastisch zu reduzieren. Es gibt keine sauberen Kriege, entsprechend gibt es auch keinen ehrbaren Waffenhandel. Waffen bleiben Tötungsmaschinen, wo immer sie auch hingeliefert werden.
Deshalb unterstützen die Grünen die Idee, den Artikel 223 der EG-Gründungsverträge zu streichen. In ihm ist festgehalten, daß „kein Mitgliedsstaat dazu verpflichtet werden kann, Auskünfte zu erteilen, deren Verbreitung gegen seine Sicherheitsinteressen verstößt“. Außerdem sieht der Paragraph vor, daß „alle Mitgliedsstaaten diejenigen Maßnahmen ergreifen können, die ihnen notwendig erscheinen, um ihre zentralen Sicherheitsinteressen einschließlich der Produktion von und des Handels mit Waffen, Munition und anderem Kriegsmaterial zu schützen“.
Dieser Paragraph hat zwei perverse Auswirkungen: Erstens erlaubt er den Mitgliedsstaaten, sozial völlig unnütze und wirtschaftlich unrentable Betriebe künstlich am Leben zu erhalten. Die damit geschaffenen Überkapazitäten sowie die parallelen Produktionen ähnlicher Waffenssysteme in mehreren Staaten haben sogar Binnenmarktkommissar Martin Bangemann dazu veranlaßt, einen Vorschlag für die Rationalisierung und Konversion dieses Sektors zu ergreifen. Allerdings liegt der Verdacht nahe, daß es sich bei dieser Initiative lediglich um einen Versuch handelt, die westeuropäische Rüstungsindustrie zu restrukturieren, um sie gegenüber der internationalen Konkurrenz durchsetzungsfähiger zu machen.
Zweitens verhindert der Paragraph 223 alle Möglichkeiten, die nationalen Gesetze zur Rüstungsexportkontrolle zu harmonisieren, um die Schlupflöcher für die „Händler des Todes“ zu schließen. Mit der Schaffung des Binnenmarkts 1993 wird es noch notwendiger sein als bisher, ein gemeinsames Überwachungssystem sowohl für Rüstungsprodukte und Güter mit zivilen, wie militärischen Anwendungsmöglichkeiten als auch für deren Endabnehmer einzurichten. Die Abschaffung des Paragraphen 223 ist nach unserer Meinung ein erster Schritt hin zu einer demokratischen Kontrolle dieses bislang abgeschirmten Bereichs — eine zentrale Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit. Die nächsten Schritte, die die Grünen fordern — Reduzierung der Produktion und des Exports von Waffen und die Förderung von Konversion — sind in diesem Zusammenhang nicht eine Utopie, sondern die einzig vernünftige Vision für eine sichere Welt. Brigitte Ernst
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