EU: Gewonnen, aber nicht gesiegt
Europäische und deutsche Politiker begrüßen überwiegend die Ergebnisse des Gipfelftreffens in Brüssel
BERLIN epd/dpa Europäische Spitzenpolitiker haben zum großen Teil erleichtert auf den Kompromiss beim EU-Verfassungsgipfel in Brüssel reagiert. "Ohne die Einigung hätten wir ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem gehabt", erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der polnische Präsident Lech Kaczynski zeigte sich allerdings sehr zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels. Die Forderungen Polens seien in hohem Maße berücksichtigt worden, sagte er mit Blick auf das umstrittene Abstimmsystem der EU. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy unterstrich, der Wettbewerb erscheine im Vertrag nicht mehr als Ziel, sondern als Instrument der EU.
Der scheidende britische Premierminister Tony Blair erklärte, die Abkehr von der EU-Verfassung sei für ihn das wichtigste Ergebnis des Gipfels.
Der Fraktionschef der Sozialisten im Europa-Parlament, Martin Schulz, kritisierte den Kompromiss mit Polen. Die Spaltung der EU sei zu einem relativ hohen Preis verhindert worden, sagte Schulz im Deutschlandfunk. Allerdings habe die polnische Führung gesehen, dass die anderen EU-Staaten nicht bereit seien, sich an der Nase herumführen zu lassen; in der Summe sei die Einigung ein großer Fortschritt.
Führende deutsche Politiker und die großen Wirtschaftsverbände haben den Gipfelkompromiss positiv bewertet und als Erfolg von Kanzlerin Angela Merkel gewürdigt. Kritische Töne kamen von den Grünen, der FDP und der Linken. SPD-Chef Kurt Beck sprach von einem guten Tag für Europa. Er zollte Merkel auch persönlich Anerkennung für den Verhandlungserfolg in Brüssel. Für den CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat Merkel "den europäischen Motor wieder flottgemacht." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder sprach von einer "diplomatischen Meisterleistung" Merkels.
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte Europa habe gewonnen, aber nicht gesiegt. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, der Gipfel sei zwar nicht "total gescheitert, aber ich glaube nicht, dass sich die EU eine solche Bescheidenheit leisten kann". Von "einem enttäuschenden Ergebnis" sprach denn auch der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen