EU will weniger Krach: Laute Straßen, kranke Menschen

Der Verkehr ist die Hauptursache für den Lärm in den Großstädten - und wesentlicher Faktor für Stresserkrankungen. Deshalb soll es leiser werden. Nur wann?

Nervig ohne Ende: Flugzeug in der Einflugschneise Bild: ap

Ein Straßencafé am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg: Milchkaffee schlürfend versuchen zwei Freundinnen, sich zu unterhalten. Erst kommt ein Doppelstockbus, dann ein Baufahrzeug, wenig später ein Motorrad, und schließlich rasen vier Jugendliche in einem tiefergelegten Golf vorbei - die Konversation ist längst in Brüllerei umgeschlagen, die man in den Lärmpausen weithin verfolgen kann. Straßenverkehrslärm ist für Besucher lästig, für Anwohner ist er gesundheitsschädlich. Deshalb versucht die EU-Kommission, das Lärmproblem in europäischen Städten zu begrenzen; dabei hat sie vor allem den Verkehrslärm im Blick.

Herausgekommen ist die EU-Umgebungslärmrichtlinie, die den Mitgliedsstaaten umfangreiche Aufträge für einen besseren Lärmschutz erteilt. Ziel sei es, so die EU, "schädliche Auswirkungen, einschließlich Belästigung, durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mildern". Umgebungslärm entsteht vor allem durch den Straßen-, Eisenbahn- und Flugverkehr sowie durch Industrieanlagen. Zunächst sollten die Großstädte Lärmkarten erstellen, auf denen die Krachbelastung einsehbar ist. Bis Ende vergangener Woche sollten 27 Großstädte und Ballungsräume ihre Aktionspläne zur Lärmminderung melden. Auf Grund von Schwierigkeiten bei der Erhebung von Lärmdaten bekommen die Städte eine weitere Schonfrist - die Pläne müssen erst bis Ende November vorliegen.

Zwar sei die Kartierung abgeschlossen, dennoch habe es Verzögerungen gegeben, da noch Datenmaterial fehle, räumt etwa Hans Wnuck, Sprecher der Stadt Karlsruhe, ein. So fehle noch Material vom Eisenbahnbundesamt. Zudem wolle man eine umfangreiche Bürgerbeteiligung ermöglichen, wofür nach der Sommerpause noch mehrere Veranstaltungen geplant seien.

Weiter vorangeschritten ist Berlin. Im Mai hat der rot-rote Senat einen Entwurf für seinen 105 Seiten langen Lärmminderungsplan veröffentlicht. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", so Regina Kneiding, Sprecherin der Berliner Senatsumweltverwaltung. Die konkreten Pläne würden nun wie die von den anderen Städten bis Ende November an das Bundesumweltministerium geschickt. Die Berliner Pläne sind umfangreich: Sie reichen von der Einführung von Tempo 30 nachts auf Hauptstraßen über den Ausbau von Parken-und-Reisen-Möglichkeiten bis hin zur Verlagerung von Lkw-Verkehr. Für 14 Straßen und Plätze wurden zudem konkrete Lärmkonzepte entwickelt, die etwa die Ausweitung von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten oder den Bau neuer Radwege oder Verkehrsinseln vorsehen.

Auch Düsseldorf sieht sich mit seinem Lärmplan im Soll. "90 bis 95 Prozent der Vorgaben erfüllen wir heute schon", sagt der Leiter des Umweltamtes, Werner Görtz. So beteilige sich die Stadt mit 50 Prozent an der Finanzierung des Einbaus von Schallschutzfenstern an Hauptverkehrsstraßen. Zudem würden etwa zusätzliche Schallschutzwände errichtet oder Straßen mit leiserem Asphalt versehen. Allerdings sei die Stadt oft nicht zuständig, etwa an Bundesautobahnen oder an den Bahnlinien. Hier sei der Bund in der Pflicht.

Den sieht auch der Umweltverband Nabu am Zug. "Um ruhige Siedlungsräume zu bewahren und Problembereiche zu entlasten, sind auch bundesweite Weichenstellungen notwendig", so Nabu-Umweltexperte Benjamin Bongardt. "Solange zum Beispiel 75 Dezibel laute Pkw zugelassen werden und Lkw diesen Wert um ein Vielfaches übertreffen, werden die Lärmaktionspläne nur die halbe Wirkung entfalten."

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