EU will Finanzmarkt-Grauzone erhellen: Es flackert im unregulierten Bereich
Seit Beginn der Finanzkrise debattiert die EU über die sogenannten Schattenbanken. Jetzt soll strenger beobachtet werden. Verbote werden aber ausbleiben.
BRÜSSEL taz | Vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise will die EU-Kommission endlich Licht in die Geschäfte der sogenannten Schattenbanken bringen. Binnenmarktkommissar Michel Barnier kündigte am Montag in Brüssel eine strengere Aufsicht für diese Grauzone des Finanzmarkts an, legte allerdings keine große Eile an den Tag: Erst Anfang 2013 will Barnier einen Gesetzesvorschlag vorlegen, Verbote soll es nicht geben.
Zu den Schattenbanken zählen Zweckgesellschaften und Versicherungen, die Kredite vermitteln, sowie Investmentfonds, Finanzierungsgesellschaften und Hedgefonds. Nach Schätzungen der Brüsseler Kommission machen sie mit einem Umsatz von weltweit rund 46 Billionen Euro bereits 25 bis 30 Prozent des gesamten Finanzmarkts aus, unterliegen jedoch nicht den Regeln der Bankenaufsicht.
Da niemand genau weiß, was die Schattenbanken treiben und welche Risiken sie eingehen, gelten sie als Achillesferse des Banksystems. Eine ungeordnete Pleite könne „mit Systemrisiken verbunden sein“, fürchtet die Kommission. Allerdings sei die Tätigkeit der Schattenbanken auch hilfreich, da sie die Märkte mit Geld versorgen, sagte Barnier im Handelsblatt.
„Ich will diese Aktivitäten nicht verbieten“, betonte der Franzose, der wegen seiner Vorstöße regelmäßig vom Finanzplatz London angefeindet wird. Zwar gebe es „durchaus Finanzmarktakteure, die wir kritisch sehen“. Das Bankgeschäft sei aber „keine Wohltätigkeit“. Es sei auch „nicht illegal, wenn Banken in einen unregulierten Bereich ausweichen.“ Es gehe vielmehr darum, Lücken zu schließen.
Verbesserte Informationsweitergabe
Wie die Regulierung aussehen kann, ließ Barnier zunächst offen. Zunächst gehe es darum, die „Datenlücken“ über die Geldströme und Verflechtungen zwischen offiziellen Geldinstituten und Schattenbanken zu schließen. Der Kommissar schlägt daher vor, die Weitergabe von wichtigen Informationen über die Branche zu verbessern.
Auch neue Befugnisse der nationalen Aufsichtsbehörden könnten erforderlich sein. Die Aufseher müssten in der Lage sein, „die versteckten Kanäle der Kreditvermittlung nachzuvollziehen“, ihre Bedeutung für das Finanzsystem zu bewerten und die Verknüpfung der Schattenbanken mit den traditionellen Finanzhäusern zu erfassen, fordert Barnier in seinem Grünbuch, das als Grundlage für eine Befragung der Branche dient.
Erst nach der Auswertung der Umfrage will die EU-Kommission über neue Gesetze nachdenken. Die Branche schlägt bereits Alarm. Geldmarkt- und Indexfonds stünden zu Unrecht auf Barniers Prüfliste, protestierte der Branchenverband BVI. Sie hätten die Krise nicht verursacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin