■ EU will Algerien im Kampf gegen Terrorismus unterstützen: Das Schlimmste verhindern – für Europa
Die europäische Algerieninitiative ist ein erster wichtiger Schritt, und die Außenminister der EU zeigen sich zufrieden. Denn Algerien öffnet erstmals seitdem das Militär 1992 nach dem Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) die ersten freien Wahlen des Landes abbrach und damit den aktuellen Konflikt heraufbeschwor, einer EU-Delegation die Tore. Die Troika – Luxemburg, Großbritannien und Österreich – wird nun so schnell wie möglich hochrangige Vertreter nach Algier entsenden, um der dortigen Regierung humanitäre Hilfe und Unterstützung in der Bekämpfung des Terrorismus anzubieten. Allen voran heftet sich Bundesaußenminister Klaus Kinkel diesen diplomatischen Erfolg an die Weste.
Doch die Initiative greift zu kurz. Angesichts der Opfer – alleine in den letzten zehn Tagen kamen bei Massakern über 1.000 Menschen ums Leben – verkommt humanitäre Hilfe zu einer verzweifelten Feuerwehraktion. Sie kommt viel zu spät. Was wirklich Not täte, wurde einmal mehr auf Drängen der algerischen Regierung ausgespart. Es wird auch weiterhin keine unabhängige internationale Untersuchung der Massaker geben. So gesehen ist die EU-Reise kein diplomatischer Erfolg für Brüssel, sondern für Algier. Denn wenn nur ein kleiner Teil dessen stimmt, was Deserteure aus Armee, Polizei und Geheimdienst immer wieder gegenüber der europäischen Presse behaupten, haben die Herrschenden in Algier genug zu verstecken. Von Infiltrierung der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) durch Geheimdienstagenten ist da die Rede, die Armee soll nicht nur weggeschaut, sondern an einigen Massakern aktiv teilgenommen haben.
Vor diesem Hintergrund ist die überraschende Einwilligung zu einem Besuch der Troika zu werten. Liamine Zéroual ergreift die Flucht nach vorn und erweckt den Eindruck der Öffnung. Ändern wird sich damit im Land jedoch nichts. Sicherlich, die EU hätte weit mehr Interventionsmöglichkeiten. Doch wer übt schon gerne allzuviel Druck auf ein Land aus, das mit seinem Erdöl und Gas unsere Industrie am Laufen hält? Und selbst die humanitäre Hilfe, die Brüssel jetzt anbietet, ist nicht ganz uneigennützig. Nichts fürchten die Politiker in Brüssel, Bonn und Paris so sehr wie eine neue Fluchtwelle über das Mittelmeer Richtung Spaniens und Italiens Küste. Statt Flüchtlinge aus Algerien aufzunehmen, wie die Vereinten Nationen von der EU fordern, soll die europäische Initiative das Allerschlimmste verhindern. Nicht für Algerien, sondern für Europa. Reiner Wandler
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