EU klagt wegen Luftverschmutzung: Deutschland erhält einen Rüffel
Brüssel klagt vor dem EU-Gerichtshof, weil die Stickstoff-Emissionen noch immer zu hoch sind. Doch vorerst hat Deutschland nicht viel zu befürchten.
Die EU-Kommission in Brüssel hat Deutschland und fünf weitere Staaten wegen schmutziger Luft auf den Straßen verklagt. Die Klage wurde beim EU-Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eingereicht, weil die seit 2010 gültigen Grenzwerte für die Luftqualität immer noch verletzt werden. Außerdem habe Deutschland keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die vereinbarten Grenzwerte möglichst schnell wieder einzuhalten, kritisiert die EU-Behörde. Parallel zu der Klage vor dem EuGH treibt die Kommission ein Verfahren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bei Volkswagen und anderen Autoherstellern voran. Der Vorwurf hier: Deutschland habe EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen missachtet.
Die Klage kommt nicht überraschend – sie war bereits im Januar angekündigt worden. Damals räumte die ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ein, dass die EU-Grenzwerte für Stickoxide in 66 Städten überschritten werden, in 20 Kommunen sogar deutlich. Verantwortlich dafür sind vor allem Diesel-Fahrzeuge. Im Zuge des Dieselskandals stellte sich heraus, dass sie im Normalbetrieb wesentlich mehr Schadstoffe ausstoßen als in Tests. Doch die Bundesregierung tat zu wenig, um den Betrug zu beenden und die Emissionen einzudämmen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Kritik der EU-Kommission am Umgang mit dem Dieselskandal zurückgewiesen. „Kein anderer Mitgliedsstaat hat so umfassende und strenge Maßnahmen ergriffen wie Deutschland“, behauptete der CSU-Politiker.
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bedauerte, dass Brüssel die deutschen Anstrengungen nicht für ausreichend halte. Gleichzeitig appellierte sie an die Autoindustrie: „Ich fordere schon lange technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw. Wir brauchen sie jetzt so schnell wie möglich, und zwar auf Kosten der Automobilhersteller.“ Doch die Branche mauert. Der Verband der Automobilindustrie behauptet sogar, die europäischen Reduzierungsziele seien zu ambitioniert; sie könnten die Transportbranche „überfordern“. Anders die Umweltverbände: „Um Städte wirklich sauber zu bekommen, dürfen in Deutschland ab 2025 keine weiteren Diesel und Benziner mehr zugelassen werden“, fordert Greenpeace.
Unmittelbare Folgen hat die Klage nicht. Verfahren vor dem EuGH dauern viele Monate, manchmal Jahre. Doch die EU-Kommission erhöht damit den Druck auf Deutschland und die anderen betroffenen Länder, etwas gegen die dicke Luft auf den Straßen zu unternehmen. Zwei Möglichkeiten werden bereits diskutiert: die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen oder Fahrverbote. Doch die Bundesregierung ist gegen Verbote. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote in Städten bereits im Februar grundsätzlich erlaubt. Allerdings müssten sie verhältnismäßig sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“