EU-Wahl in Bulgarien: Hoffen auf die Diaspora
Maria Spirowa lebt in Großbritannien, kandidiert in Bulgarien und wirbt um Stimmen in Deutschland. Ihr Bündnis hat es schwer.
Berlin taz | „Das Schlimme ist, dass nicht nur die guten Köpfe, sondern auch die Herzen Bulgarien verlassen“, wird Maria Spirowa nach der Veranstaltung sagen. Es ist ihr erster Polit-Auftritt überhaupt. Die 35-jährige Bulgarin kandidiert bei den Wahlen zum EU-Parlament für „Ja Bulgarien“. Die erst 2017 gegründete Partei positioniert sich zentristisch-liberal und tritt mit den „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB) sowie den Grünen in einem Bündnis an.
Tatort in Sachen Erstkontakt mit WählerInnen ist an diesem Samstag Mittag ein Café im Berliner Bezirk Pankow. 20 Bulgarinnen und Bulgaren sind der Einladung gefolgt. Ein bulgarisches Café hat Häppchen gesponsert, zwei Geschäftsleute haben die Saalmiete übernommen, die Referentin ist privat untergebracht. Geld, um Wahlkampf zu machen, ist offensichtlich Mangelware.
Spirowa – lange schwarze Haare, grüne Hose und dunkle Samthose – lebt seit acht Jahren in London. Zur bulgarischen Politik sei sie gekommen, nachdem sie ihre Masterarbeit über die bulgarische Mafia fertiggestellt habe, erzählt sie, was der Saal mit einem Schmunzeln kommentiert. Eigentlich wolle sie gar nicht so viel reden, sondern eher auf Fragen der Anwesenden antworten, sagt Spirowa.
Doch ohne eine kurze Bestandsaufnahme geht es dann doch nicht ab. „Bulgarien ist ein gekaperter Staat. Die politische Macht dient nicht dem Volk, sondern privaten Interessen“, sagt sie über den Sieben-Millionen-EinwohnerInnen-Staat auf dem Balkan, der seit 2007 der EU angehört und das ärmste Mitgliedsland ist.
Skandal am Hals
Die Regierung stellt hier, gemeinsam mit den Nationalisten, die konservative Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) unter dem bulligen, etwas schlicht gestrickten, dafür aber volksnahen Ministerpräsidenten Bojko Borissow – zu sozialistischen Zeiten Bodyguard des letzten KP-Machthabers Tudor Schiwkow.
Borissow hat derzeit mit dem sogenannten Apartmentgate einen veritablen Skandal am Hals, der bereits zu Rücktritten mehrerer führender GERB-PolitikerInnen führte. Diese hatten sich in gewohnt schamloser Manier bereichert und Luxusimmobilien weit unter dem tatsächlichen Marktwert erworben.
Diesen und ähnlich mafiöse Sümpfe trocken legen wollen Spirowa und ihre Partei mittels einer groß angelegten Justizreform. „Das Ziel ist, dass die Menschen nicht mehr ausgeplündert werden und sich auf Institutionen verlassen können, die sie unterstützen, anstatt sie zu behindern“, sagt sie.
Um die 17 Sitze Bulgariens im EU-Parlament bewerben sich 15 Parteien, sieben Bündnisse und neun unabhängige KandidatInnen. Ankreuzen können die WählerInnen nicht nur Parteien beziehungsweise Bündnisse, sondern innerhalb der einzelnen Liste auch Vorzugsstimmen an ihre FavoritInnen vergeben. Diese Möglichkeit muss einigen der ZuhörerInnen erst einmal erläutert werden.
Keine Berichterstattung
Jüngsten Umfragen zufolge käme Spirowas Bündnis auf knapp über fünf Prozent der Stimmen, was nicht reichen würde, da eine faktische Sperrklausel von 5,88 Prozent gilt.
„Ja Bulgarien ist die einzige Partei in Bulgarien, die wählbar ist“, findet Diana. Sie hat die doppelte Staatsbürgerschaft, wird ihre Stimme aber auf jeden Fall für eine bulgarische Liste abgeben. „Die Deutschen kommen alleine klar“, sagt sie.
Dass ihr Bündnis so niedrige Umfragewerte zu verzeichnen hat, erklärt Maria Spirowa auch damit, dass über dessen Wahlkampf in Bulgarien so gut wie nicht berichtet werde. Das sei wenig überraschend angesichts der Tatsache, dass den Medienmarkt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Leute kontrollierten, die mit korrupten PolitikerInnen verbandelt seien.
Aber gerade deshalb lohne sich der Versuch, die Diaspora zu mobilisieren. Denn die wolle eine politische Vertretung in Brüssel, ist Spirowa überzeugt. Mittlerweile habe immerhin fast jede Familie ein Mitglied, das im Ausland wohne. Allein in Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt derzeit 340.000 BulgarInnen.
„Ich wünsche Ihnen viel Erfolg“, sagt eine ZuhörerIn zum Abschied. Und fügt hinzu: „Vollbringen Sie ein kleines Wunder.“
Leser*innenkommentare
Hannes Petersen
Vielleicht sollte sie ja auch in Bulgarien leben, um dort Aufmerksamkeit zu bekommen?