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EU-Verordnung für Öko-LebensmittelSchneller und mit Anti-Betrug-Stelle

Die EU-Öko-Verordnung muss verändert werden, das findet auch die deutsche Biobranche. Aber sie hat andere Ideen als EU-Kommissar Phil Hogan.

Wie stellt man sicher, dass die Verbraucherin im Bioladen auch tatsächlich ökologisch korrekt erzeugte Lebensmittel bekommt? Bild: dpa

BERLIN taz | In der Debatte um die Überarbeitung der EU-Verordnung für Öko-Lebensmittel geht der Dachverband der deutschen Biobranche mit eigenen Vorschlägen in die Offensive. „Wir brauchen eine Reform, aber nicht so, wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hat“, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der taz.

Er antwortet damit auf einen Gastbeitrag von EU-Agrarkommissar Phil Hogan in der taz vom 12.12.2014, demzufolge die Rechtslage wegen des rasanten Branchenwachstums verändert werden muss. Die EU-Staaten konnten sich bei einer Ratssitzung am Montag in Brüssel, anders als von der italienischen Präsidentschaft angestrebt, nicht auf einen konkreten Kompromiss einigen.

„Wenn grenzüberschreitend billige konventionelle als teure Bioware verkauft wird, sollte eine europäische Stelle die Verantwortung übernehmen, dass der Fall bis an seinen Ursprung verfolgt wird“, forderte zu Löwenstein. Diese Stelle müsse auch kontrollieren, ob etwa alle Behörden in den EU-Ländern so schnell wie vorgeschrieben recherchieren. „Das muss in der EU-Öko Verordnung geregelt werden.“

Vor kurzem hatte ein ukrainisches Unternehmen insgesamt 4.000 Tonnen hochgradig mit Pestiziden verseuchtes Biofutter unter anderem an das Öko-Eier-Unternehmen Fürstenhof in Mecklenburg-Vorpommern geliefert. „Alle deutschen und zum Beispiel die niederländischen Behörden haben schnell reagiert und informiert. Aber bis heute wissen wir nicht, aus welchem Betrieb in der Ukraine das Futter kam“, erklärte zu Löwenstein.

Bei früheren Skandalen hätten manche Behörden zu langsam gearbeitet. „Es ist absurd, dass ein Land 30 Tage Zeit hat, um vorzulegen, wohin eine bestimmte Ware geliefert worden ist. Da dient das System dazu, zu wissen, was man vorher aufgegessen hat.“ Auch die Kontrolle von Bio-Importen aus Nicht-EU-Staaten müsse endlich besser werden. „Die EU muss ein Budget aufstellen, damit die Kontrollstellen in Drittländern überwacht werden“, sagte zu Löwenstein.

Regeln sollen für alle gelten

Zur Tierhaltung erklärte der Öko-Funktionär: „Wir fordern, dass künftig in einem Gebäude lediglich 12.000 Legehennen gehalten werden dürfen.“ Nur dann könne den Tieren genügend Auslauf in ausreichender Nähe zum Stall angeboten werden. Bisher leben oft 24.000 Biohühner unter einem Dach, was Tierschützern zufolge eine gute Betreuung erschwert.

Damit Biobauern weniger konventionelles Saatgut verwenden, sollten künftig alle EU-Staaten in einer internationalen Datenbank die Verfügbarkeit von Ökoware überprüfen, bevor sie Ausnahmegenehmigungen erteilen, so der BÖLW-Chef. Dieses Instrument müsse künftig etwa auch in Italien eingesetzt werden. „Da mangelt es an der Umsetzung“, sagt zu Löwenstein.

Die EU-Kommission will solche Ausnahmen verbieten. Das Geflügelthema packt sie in ihrem Verordnungsentwurf nicht an. Biobauern sollen jedoch Produkte mit Pestiziden oberhalb der Grenzwerte für Babykost, aber unterhalb der Limits für Lebensmittel allgemein selbst dann nicht als Bio verkaufen dürfen, wenn sie nicht für die Kontamination verantwortlich sind.

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8 Kommentare

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  • Der Naturland Lobbyist zu Löwenstein hat lange den Betrieb Tiemann gedeckt.Aussagen von ihm zu ökologischer Tierhaltung kann ich nicht als ernst und ehrlich einstufen. Kleine und mittlere Bio-Betriebe haben es ohnehin schon schwer genug.

  • Echtes Bio kann nur schwer oder eben gar nicht unter rein ökonomischen Gesichtspunkten funktionieren, besonders wenn der gleiche Druck wie bei konventionellen Lebensmitteln herrscht, möglichst billig zu produzieren. Ich glaube, die ersten Bio-Pioniere hatten da etwas anderes im Sinn.







    Ich persönlich beschäftige mich seit einer ganzen Weile mit Bio-Lebensmitteln aus meiner Region: Hier sind nicht nur die Transportwege kurz (frische Ware), sondern ich weiß auch, woher sie stammen (Transparenz).

     

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  • Hier kann man schön sehen, wie Lobbyarbeit der Bioverbände funktioniert. Bei Legehennen waren mal 3000 je Betrieb angedacht, nur stand da "je Stall" in der VO und die Bioverbände haben es zugelassen bis zu 8 Ställe nebeneinander zu bauen. Und anstatt sich jetzt auf echte 3000 zu einigen, zeigt man sich kompromissbereit für 12.000. Ähnlich ist es mit dem systematischen Enthornen, das seit 2008 verboten ist, aber vor allem von Bioland/Naturland Betrieben weiter vorgenommen wird. Klar ist man gegen die Abschaffung der mit den Verbänden verbandelten privaten Kontrollstellen. Der ursprüngliche Entwurf (abwertend Totalrevision) genannt hatte ein paar sehr gute Ansätze für Verbraucher, wie Verstaatlichung der Kontrollstellen und Abschaffung aller Ausnahmen. Bleibt abzuwarten ob die Kommission vor Deutschland (ja die CDU/CSU hat die Position der Bioverbände übernommen!) kuscht, oder ob sie sich mit einigen Punkten doch durchsetzen. Die ganze Biobranche braucht mehr Ehrlichkeit und Transparenz, besonders letzte wissen die Bioverbände aus gutem Grund zu verhindern. Wie wäre es z.B. wenn man anhand der Eiernummer nicht nur den Herkunftsbetrieb ermitteln könnte, sondern auch wieviele Tiere dort gehalten werden, dann hätten agroindustrielle Betriebe bei den Verbänden ein echtes Problem!

    • @Andreas Fendt:

      Wie sieht es denn bei Demeter mit den Bestandsobergrenzen in der Praxis aus?

      • @Waage69:

        es gibt m.W. keine! Der grösste (aber auch einzige Betrieb dieser Grösse) hat 24.000 Legehennen (Geisler bei Lollar). Demeter hat als einziger Bioverband relativ transparent die Strukturen bei Legehennen veröffentlicht. Zitat 25.2.2013 "Im Bereich der Legehennen gibt es 404 Betriebe mit insgesamt rund 116.000 Tieren. Die durchschnittliche Bestandsgröße liegt bei weniger als 300 Tieren. 2011 hatten 332 Betriebe weniger als 100 Tiere, 45 Betriebe 100 bis 500 Tiere, fünf Betriebe 500 bis 1000 Tiere, acht Betriebe 1000 bis 2000 Tiere, sieben Betriebe 2000 bis 5000 Tiere sowie fünf Betriebe 5000 bis 8000 Tiere und ein Betrieb mit insgesamt 24 000 Legehennen auf zwei Betriebsstandorten."

        • @Andreas Fendt:

          Ja, danke für die Antwort mit der ausführlichen Auflistung. Ich hab mich auch selber noch mal schlau gemacht.

          Es gibt zwar keine Bestandsobergrenzen aber eine ziemlich strikte Flächenbindung von 2 Großvieheinheiten pro ha, also zwei Kühe oder umgerechnet entsprechend mehr kleinere Tiere.

          Zudem ist Rindviehaltung wegen der Kreislaufwirtschaft bei Demeter schon schwer angesagt, so dass Schweine- oder Hühnerhaltung auch auf größeren Betrieben (oft alte Gutshöfe die in den 20ern schon umgestellt haben) meist nebenher und in kleinerem Masstab abläuft.

           

          Ich bin zwar nur konventioneller Bauer und hab auch mit Esoterik absolut nix am Hut, aber vom stimmigen Gesamtkonzept her überzeugen mich doch immer wieder die Steiner Leute!

           

          MfG + WFff! (Wer Fendt fährt führt!)

          • @Waage69:

            Hab mir grade mal den von Ihnen genannten grössten Betrieb per Satellit angeguckt. Das ist aber ein echter Brocken!

             

            Im nördlichen Bereich etwas Abseits sind die Hühnerställe. Der Wiesenbereich um den Neubaustall ist mit einigen Büschen/Bäumen bewachsen und scheint so aus der Luft betrachtet belaufen zu sein. Außenauslauf hammse wohl...

            ...an dem Entlüftungsstaub auf dem Dach kann man erkennen, dass dem festen Hauptstall wohl längs nach Westen hin auch noch ein überdachter Außenklimaauslauf für Schietwetter angegliedert ist. Also nach dem was man so erkennen kann wohl trotz der Größe alles prima.

             

            Die Kuhhaltung auf dem Kernhof finde ich aber etwas enttäuschend.

            O.K. moderner Außenklimaboxenlaufstall bestimmt mit allem Pipapo aber Auslauf nur auf einem Laufhof, anscheinend kein Weidegang, wohl wegen der großen Straße.

             

            Wir haben bei uns in der Nähe einen konventionellen Kuhbauern mit 60 Holstein Frisian. Die HF Kühe (enthornte "Garderobenständer" mit Supereutern...) sind ja geschmacksache - aber die haben im Sommerhalbjahr Weidegang und das ist schon toll - so eine Herde auf der Wiese!

            Inzwischen ist Weidegang bei konventionell bekanntlich eher die Ausnahme, aber bei Bio muss das sein ohne wenn und aber. Schon weil es die Kunden das so erwaten und dafür eigentlich auch bezahlen!

             

            Der alte Demeter Gutshof bei Kallenhardt im Sauerland den ich kenne tut seine Kühe auch im Sommer raus auf die Wiese (Braun- und Fleckvieh mit Hörnern und gut was auf den Hüften!) - so muss das sein!

  • was der Herr Löwenstein da fordert ist noch gar nicht dran, solange es immer noch Legehennen-Ställe gibt, in denen ein Vielfaches der erlaubten 3000 Tiere gehalten werden und dann ist es auch wirklich egal ob das 12000 oder 24000 Tiere sind