EU-Treffen der Finanzminister in Kopenhagen: Europa prüft neue Finanzsteuer
Großbritannien lehnt eine Finanztransaktionssteuer kategorisch ab. Jetzt wollen die EU-Staaten eine abgespeckte Version prüfen: eine Umsatzsteuer auf Aktiengeschäfte.
KOPENHAGEN rtr | Deutschland will eine Beerdigung der Finanzmarktsteuer in der Europäischen Union verhindern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schlug beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Kopenhagen als Vorstufe einer umfassenden Besteuerung von Börsengeschäften eine abgespeckte Version der Steuer vor. Zum Einstieg könnten nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer zunächst nur Aktiengeschäfte besteuert werden. Er gebe das Ziel der Finanztransaktionssteuer nicht auf, sagte Schäuble am Samstag nach der Sitzung in der dänischen Hauptstadt. „Ich bin nur nicht bereit zu sagen, entweder wir kriegen das oder wir machen gar nichts.“
Aus dem Lager der Gegner einer Börsensteuer blieb Großbritannien reserviert, Schweden ist dagegen für Gespräche offen. Die EU-Staaten seien geteilter Meinung über die Idee, sagte die dänische Finanzministerin und EU-Ratsvorsitzende Margrethe Vestager.
Die im vergangenen Jahr von der EU-Kommission nach jahrelangen Diskussionen vorgeschlagene Steuer auf den Handel mit Aktien, Anleihen und Derivaten hat keine Chance auf Zustimmung in der EU. Großbritannien, Schweden und einige andere Länder lehnen sie ab, sodass der dazu nötige einstimmige Beschluss nicht zustande käme. Auch die Einführung der Steuer nur in der Eurozone mit 17 Staaten oder in einem noch kleineren Kreis wird inzwischen nicht mehr als Alternative gesehen.
Die Bundesregierung versucht nun, die Briten zu locken, indem sie eine Besteuerung vorschlägt, wie sie in Großbritannien schon seit dem 19. Jahrhundert gilt. Diese beschränkt sich auf den Aktienhandel. Großbritannien erhebt einen Satz von 0,5 Prozent auf den Umsatz mit Aktien. Die Steuereinnahmen lagen im vergangenen Jahr bei 3 Milliarden Pfund. Auch Frankreich plant eine Aktiensteuer in Höhe von 0,1 Prozent auf den Kauf von Titeln der in Paris angesiedelten Großunternehmen. Mit der von der EU vorgeschlagenen Börsensteuer wären hohe Einnahmen zu erzielen: Die Europäische Kommission kalkulierte mit 57 Milliarden Euro jährlich.
Die Befürworter der Steuer in der EU wollen vor allem die Finanzmärkte an den enormen Kosten der Bankenrettung beteiligen. Die Gegner – vor allem Großbritannien mit dem Finanzplatz London – befürchten ein Abwandern von Finanzgeschäften aus Europa, da die USA und andere wichtige Länder die Steuer auf globaler Ebene ablehnten. Für die Briten ist wegen der massiven EU-Skepsis in der Bevölkerung eine europäische Steuer überhaupt nicht vorstellbar. Bundesfinanzminister Schäuble sagte, sein britischer Kollege George Osborne habe zumindest nicht rundheraus Nein gesagt. Eine Handvoll EU-Staaten vereinbarte nun, erst einmal eine Arbeitsgruppe das Thema bearbeiten zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml