Wie viel Abschottung darf sein?

Deutschland will eine Verschärfung des EU-Asylrechts und Schnellverfahren an den Außengrenzen mittragen, wenn es Ausnahmen für Familien mit Kindern gibt. Die FDP ist jedoch gegen solche Ausnahmen

Von Jasmin Kalarickal

Die Bundesregierung signalisiert Bereitschaft, einer auf Abschottung zielenden europäischen Asylrechtsverschärfung unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Man unterstütze Verfahren zur Prüfung des Schutzstatus bestimmter Personengruppen bereits an der EU-Außengrenze, sei aber für Ausnahmen „bei Kindern, Jugendlichen und anderen besonders Schutzbedürftigen wie Menschen mit Behinderungen“, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zur taz. Am Donnerstag beraten die EU-In­nen­mi­nis­te­r*in­nen über Asyl-Schnellverfahren für Menschen mit geringer Aussicht auf Schutz direkt an den Außengrenzen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) pochte in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe ebenfalls auf Ausnahmen für Familien mit Kindern. Zudem solle niemand „länger als einige Wochen“ in einem solchen Verfahren stecken und „das Recht auf Asyl“ nicht ausgehöhlt werden. Die Grenzverfahren sieht sie als „Fluch und Chance“ zugleich: „Hochproblematisch“, gleichzeitig sei der Vorschlag der EU-Kommission derzeit die einzige realistische Chance, zu geordneten und humanen Verteilungsverfahren zu kommen.

Ob sich die Bundesregierung mit ihrem Wunsch nach Ausnahmen in den EU-Verhandlungen durchsetzen kann, ist fraglich. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren vor. In einer überarbeiteten Version heißt es nun, dass Familien mit Kindern unter 12 Jahren nicht automatisch von den Asyl-Schnellverfahren ausgenommen werden. Auch unbegleitete Minderjährige sollen diese Verfahren durchlaufen, wenn sie als „Gefahr für die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung“ eingestuft werden.

Zudem sind sich die Ampelparteien keineswegs einig. Die Grünen hatten solche Verfahren eigentlich immer abgelehnt. Die Verhandlungen auf europäischer Ebene seien „äußerst schwierig, weil viele EU-Mitgliedsstaaten eine restriktive Linie vertreten“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann der taz. Wichtig sei es, den Zugang zum „individuellen Recht auf Asyl“ sicherzustellen, ebenso „die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention und der Kinderrechtskonvention sowie den Schutz vulnerabler Gruppen“. Gleichzeitig brauche „es einen verbindlichen Solidaritäts- und Verteilmechanismus für die Aufnahme von Geflüchteten in der EU.“

Die FDP sieht hingegen keine Notwendigkeit für Ausnahmen. Es müsse nur eine „menschenwürdige Versorgung aller Flüchtlinge“ sowie „eine effiziente Durchführung der Asylverfahren an den EU-Außengrenzen“ gewährleistet sein, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Tagesspiegel. „Wenn diese Regeln gelten, dann braucht es auch keine Debatte zu möglichen Ausnahmen, die eine Einigung in Europa wieder nur gefährden würden“, befand dieser.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, kritisierte die Bundesregierung dafür, die EU-Vorschläge „an verschiedenen Stellen weiter aufzuweichen“.

Menschenrechtsorganisationen hingegen befürchten, dass mit den Schnellverfahren Lager mit haftähnlichen Bedingungen entstehen. Sie warnen vor einer Aushöhlung des Asylrechts.

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