piwik no script img

EU-Kommission berät über UngarnKeine Sanktionen gegen Viktor Orbán

Die Kommission ärgert sich zwar über die Provokationen des Regierungschefs. Aber sie will zunächst nur einen „politischen Dialog“ führen.

„Orbán ist ein grausamer, unmenschlicher Tyrann“ finden die Protestierenden Foto: dpa

Brüssel taz | Der umstrittene ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán kann weiter auf Milde aus Brüssel hoffen. Die EU-Kommission beschloss am Mittwoch nach langer Debatte, in einen „politischen Dialog“ mit Orbán einzusteigen, vorerst aber nichts gegen den Provokateur aus Budapest zu unternehmen.

Es gebe bisher keinen Hinweis auf systematische Verstöße ­gegen Rechtsstaat und Demokratie in Ungarn, begründete Kommissionsvize Frans Timmermans die abwartende Haltung. Zudem zeige sich die Regierung grundsätzlich gesprächsbereit. Entscheidungen wurden auf Ende April vertagt.

Das ist überraschend – denn die Brüsseler Behörde hat selbst ein umfangreiches „Sündenregister“ aufgestellt. Dazu zählen das neue Universitätsgesetz, die Schikanen gegen Nichtregierungsorganisationen, die knallharte Asylpolitik sowie der Vorwurf, die Regierung diskriminiere schwangere Frauen und die Roma-Minderheit.

All diese Themen seien in der Kommissionssitzung diskutiert worden, sagte Timmermans. Die Behörde nehme die Sorgen der Bürger ernst, die seit Tagen gegen das Uni-Gesetz auf die Straßen gehen. Man sei auch besorgt über eine Umfrage mit dem unmissverständlichen Titel „Stopp Brüssel“. Darauf werde man zu gegebener Zeit antworten, so der Vize von Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Polen und Ungarn decken sich gegenseitig im Ministerrat

Zunächst will Juncker von Orbán aber wissen, wie es möglich sei, dass dieser erst kürzlich – auf dem EU-Sondergipfel in Rom Ende März – ein Bekenntnis zur EU unterzeichnet hat, nun aber Front gegen Brüssel mache. Orbán solle sagen, wohin die Reise geht, so Timmermans. Der Quertreiber müsse sich zu den gemeinsamen Werten bekennen oder mit Sanktionen rechnen.

Anders als bei Polen verzichtete die EU aber darauf, ein Verfahren wegen Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit einzuleiten. Sie kündigte lediglich an, sich Ungarn noch einmal im Rahmen der (routinemäßigen) Vertragsverletzungsverfahren vorzuknöpfen. Der Verlust des Stimmrechts im EU-Ministerrat droht Ungarn dabei nicht.

Polen und Ungarn halten sich im Ministerrat gegenseitig die Stange. Orban hat bereits angekündigt, einen möglichen Stimmrechts-Entzug für Polen mit einem Veto zu blockieren. Nun steht er zwar selbst unter Druck aus Brüssel.

Doch er könnte auch Gegendruck ausüben – über die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch CDU/CSU angehören. Sozialdemokraten und Grüne im Europaparlament argwöhnen bereits, dass bei der EVP und ihrem Fraktionschef Manfred Weber (CSU) die letzte Entscheidung fällt – und nicht in der eigentlich zuständigen EU-Kommission.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!