EU-Handelsabkommen mit Mercosur: Angst vor Gammelfleisch und Giften
Das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten ist offenbar auf der Zielgeraden. Grüne und Entwicklungsexperten sind alarmiert.
Nach zähen Verhandlungen scheint das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Staatenbund Mercosur nahezu unterschriftsreif zu sein. Informationen aus Verhandlungskreisen zufolge haben sich die Unterhändler beim strittigen Thema Einfuhr von Agrarerzeugnissen annähern können.
Konkret soll die EU den Südamerikanern angeboten haben, dass sie ihre Einfuhrmengen an Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten von knapp 70.000 auf 99.000 Tonnen erhöht. Zu dem Staatenbund gehören Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Noch in dieser Woche soll weiter verhandelt werden. Offenbar wird eine Unterzeichnung des Abkommens Ende des Monats im paraguayischen Asunción vorbereitet.
Grüne und Handelskritiker zeigen sich alarmiert. Für Martin Häusling, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament, ist das Abkommen ein Deal, bei dem Menschenrechte und Umweltstandards auf der Strecke bleiben werden. Der Einsatz von Ackergiften ist enorm in Brasilien oder Argentinien. Wälder werden radikal abgeholzt, um Soja anzubauen. „Auch die Standards bei der Rindermast sind mit unseren nicht vergleichbar“, sagt Häusling. 2017 stoppte die EU-Kommission die Einfuhr von Fleisch aus Brasilien. Bei knapp 20 Produzenten war vergammelte und veraltete Ware entdeckt worden. Die Kontrollen seien sehr schwach, kritisiert Häusling.
Francisco Mari, Experte für Agrarhandel bei der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt, hält die Mandatsgrundlage ohnehin für völlig veraltet. „Seit 1999 wird das Abkommen verhandelt. Es gibt keinen Passus, der die Folgen für die Umwelt, für die Menschen vor Ort und die Verbraucher in der EU thematisiert“, sagt Mari.
Durch die gestiegenen Abnahmequoten wird vermutlich die Rindfleischproduktion in den Mercosur-Staaten steigen. Dafür brauchen die Viehhalter mehr Land. Hinzu kommt, dass der Einsatz von Pestiziden in Futtermitteln vermutlich steigt. Große Hoffnung, dass sich an dem Abkommen Grundlegendes ändert, hat Mari nicht. Aber: „Wenn es zum Abschluss kommt, dann muss die EU-Kommission wenigstens Einzelvereinbarungen zum Schutz indigener Völker oder für die Amazonas-Region aushandeln.“
Gewinner des Abkommens sind den Kritikern zufolge europäische Unternehmen, die sich einen leichteren Zugang zu den lateinamerikanischen Märkten versprechen – etwa die Autobauer. Und die großen Fleischproduzenten in den Mercosur-Staaten. Verlierer sind die Kleinbauern und Viehhalter in Europa. Irland und Frankreich haben die Vereinbarungen bereits scharf kritisiert. Denn für Fleischproduzenten in Europa wird sich der Wettbewerb enorm verschärfen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören