EU-Gipfel in Brüssel: Beratungen über Brexit-Folgen
Die EU-Staaten treffen sich, um über den Austritt Großbritanniens zu reden. Dabei liegen die Vorstellungen der Briten und des Rests weit auseinander.
52 Prozent der Briten hatten beim historischen Referendum am vergangenen Donnerstag dafür gestimmt, die EU zu verlassen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Montag nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande und dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi, es werde keine formellen oder informellen Gespräche mit London über einen Austritt geben, bevor nicht der entsprechende Antrag eingegangen sei. Dieser solle so schnell wie möglich kommen, sagte Hollande. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, fügte er hinzu. „Nichts ist schlimmer als Ungewissheit.“
Die drei Länder wollen mit einer gemeinsamen Initiative zur Erneuerung der EU den Zusammenhalt der Europäer sichern und beim EU-Gipfel Vorschläge für einen „neuen Impuls“ vorlegen.
Merkel gibt Regierungserklärung ab
Noch vor Beginn des Gipfels befasst sich der Bundestag in einer Sondersitzung mit den Folgen der britischen Entscheidung. Merkel gibt eine Regierungserklärung ab. Sie plädiert für einen konsequenten, aber besonnenen Umgang mit Großbritannien. Sie verweist darauf, dass das Land weiterhin Partner in der Nato und den internationalen G7- und G20-Formaten sei. Auch das EU-Parlament kommt vor dem Gipfel zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammen, in der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker reden wird.
Cameron wird am Abend bei einem Arbeitsessen den übrigen Staats- und Regierungschefs über die Lage in seinem Land nach dem Referendum berichten. Am Mittwoch wird der EU-Gipfel dann als „informelles“ Treffen fortgesetzt – ohne Großbritannien. Dabei geht es um die Organisation des Scheidungsprozesses zwischen der EU und Großbritannien sowie um die Zukunft der Gemeinschaft.
Bei den britischen Konservativen läuft das Rennen um die Nachfolge von Cameron an. Als klarer Favorit gilt derzeit Londons früherer Ex-Bürgermeister Boris Johnson, der sich an die Spitze der Brexit-Kampagne gestellt hatte. Er wäre es dann, der die Austrittsverhandlungen mit Brüssel führen müsste. Cameron hat mehrfach gesagt, er wolle dies seinem Nachfolger überlassen.
Nachfolge Camerons
Am Dienstag kommt voraussichtlich der Tory-Parteivorstand zusammen, um über einen Zeitplan für die Nachfolge Camerons zu beraten. Nach dem Vorschlag eines einflussreichen Parteikomitees soll der neue Parteichef und damit auch der künftige Premier spätestens am 2. September feststehen. Finanzminister George Osborne wird es nicht: In einem Gastbeitrag für die Times erklärte er seinen Verzicht auf das Amt des Parteivorsitzenden und begründete dies damit, dass er die Tories als ausgesprochener Brexit-Gegner nicht einen könne.
Auch bei der oppositionellen Labour-Partei tobt der Machtkampf: Am Dienstag muss sich der Vorsitzende Jeremy Corbyn einem Misstrauensvotum stellen. Der 67-Jährige wehrt sich gegen massive Rücktrittforderungen aus den eigenen Reihen. Abgeordnete fürchten für Labour schwere Verluste bei Neuwahlen mit dem zum linken Parteiflügel gehörenden Corbyn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!