EU-Gelder für Polen: Zu frühe Zugeständnisse

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt Polen Geld in Aussicht. Damit gibt sie vorschnell ihr Druckmittel aus der Hand.

Kommissionspräsidentin von der Leyen breitet ihre Arme aus.

Mit Zusagen nach Polen: Kommissionspräsidentin von der Leyen am 31. Mai in Brüssel Foto: Olivier Matthys/ap

Man könnte es eine vorauseilende Belohnung Polens nennen. Nichts anderes ist die frohe Botschaft, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Warschau verkündet hat. Bis zu 36 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds könnten jetzt doch noch an Polen fließen, weil sich die nationalpopulistische Regierungspartei PiS vorgenommen hat, auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren – vorgeblich.

Die Disziplinarkammer, Kernstück der seit Jahren umstrittenen Justizreform und ein probates Mittel zur Abstrafung oder Entfernung politisch unliebsamer Richter, soll abgeschafft werden. Doch bislang ist nicht klar, was an ihre Stelle tritt. Am Ende könnte sich herausstellen, dass das angebliche Einlenken der PiS nur Kosmetik ist.

Trotzdem ist von der Leyen, ungeachtet aller Kritik auch aus ihrer eigenen Behörde, bereit, in Vorleistung zu gehen und sich ein Druckmittel aus der Hand nehmen zu lassen. Das Kalkül dahinter ist offensichtlich: Polen gehört zu den Ländern, die bislang am meisten Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben. Auch mit Waffenlieferungen an den Nachbarn ist Warschau nicht kleinlich.

Jetzt, da es darum geht, eine gemeinsame Front gegen Russland zu bilden, zieht Warschau mit Brüssel plötzlich mehr oder minder an einem Strang – nicht unwichtig angesichts der Kriegslage in der Ukrai­ne und des Drucks, in Europa geeint aufzutreten. Doch daraus den Schluss zu ziehen, man müsse Warschau beim Thema Rechtsstaat um jeden Preis entgegenkommen, ist falsch.

Bestes Beispiel: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Der engste Verbündete des russischen Präsidenten Wladimir Putin blockiert bislang erfolgreich die EU-Sanktionen gegen Russland- und hat dafür gesorgt, dass auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., nicht sanktioniert wird, der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukrai­ne rechtfertigt und unterstützt. Damit stellt sich dringlicher denn je die Frage, wie die EU, so sie ihre eigenen Werte noch ernst nimmt, weiter mit Orbán zu verfahren gedenkt. Die Nachsicht mit Polen lässt nichts Gutes ahnen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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