EU: DEUTSCH-FRANZÖSISCHER AGRARDEAL NUTZT DEN BEITRITTSKANDIDATEN: Verhandlungsspielraum für die Newcomer
Wenn die Chefs großer EU-Länder wie Deutschland und Frankreich kurz vor einem Gipfel einen Deal aushandeln, erbittert das die Kleinen. Es entsteht der Eindruck, als könne etwa Dänemark, das derzeit den Ratsvorsitz führt, die Beschlüsse nur noch abnicken. Aber die kleinen EU-Staaten sind nicht nur Staffage. Schließlich hat das nach Luxemburg kleinste Mitglied Irland mit seinem Nein zum Nizza-Vertrag die EU-Erweiterung zwölf Monate lang in Frage gestellt. Jacques Chirac und Gerhard Schröder zierten sich nur ein paar Wochen lang.
Natürlich wird nun sofort die Frage gestellt, welches der beiden Schwergewichte bei diesem Agrarkompromiss gewonnen hat. Ab 2007 sollen die Agrarausgaben nicht mehr steigen. Das sieht zunächst nach einem deutschen Sieg aus, denn die dann 25 EU-Mitglieder müssen sich ein Budget teilen, das für 15 Länder geplant war – das entspricht der deutschen Forderung nach Subventionsabbau.
Im Kompromisspapier ist andererseits von inflationsbereinigten Gesamtausgaben die Rede. Angeblich hat Schröder Chirac einen Inflationszuschlag von 1,5 Prozent pro Jahr versprochen. Angesichts sinkender Agrarpreise könnte darin der Spielraum liegen, den der Franzose seinen Bauern als Sieg verkaufen kann. Bei der nächsten Welthandelsrunde kommen aber die EU-Subventionen ohnehin auf den Prüfstand. Es ist keineswegs sicher, dass Chirac die französischen Privilegien über diese nächste Hürde retten kann.
Für die Kandidatenländer aber sind die Nachrichten aus Brüssel positiv. Sie mögen mit dem Angebot nicht zufrieden sein – aber sie haben immerhin sechs Wochen Zeit, um bis zum Erweiterungsgipfel in Kopenhagen mit Ratspräsidentschaft und Kommission einen Kompromissvorschlag auszuhandeln. Hätten sich Schröder und Chirac in Brüssel stur gezeigt, hätten sie damit die Neuen noch weiter in die Rolle der Bittsteller gedrängt. Dann wäre diesen nur die Möglichkeit geblieben, in Kopenhagen alles abzunicken – oder den ganzen Fahrplan der Erweiterung zu gefährden. Der Deal der Großen hat also den Kleinen Vorteile gebracht. Ausnahmsweise. DANIELA WEINGÄRTNER
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