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EU-Besuch des türkischen PräsidentenRecep Tayyip Erdogan ist traurig

Der Grund: Einige Staaten wollen die kurdische PKK nicht als Terrorgruppe sehen. Die Unterschiede zwischen Erdogan und der EU traten in Brüssel klar zutage.

Hier geht‘s lang: Präsident Erdogan (l.) will EU-Ratspräsident Donald Tusk aber nicht unbedingt folgen. Foto: ap

BRÜSSEL dpa | In der Flüchtlingskrise wollen die Türkei und Europa zusammenarbeiten – doch beim Umgang mit dem Konflikt in Syrien offenbaren sich Differenzen. Es sei „traurig zu sehen“, dass einige Staaten die kurdische Arbeiterpartei PKK in der Praxis nicht als Terrororganisation behandelten, sagte Tayyip Recep Erdogan am Montag bei einem gemeinsamen Auftritt mit EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel. Er setzte kurdische Kämpfer und Verbände mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gleich.

Der Kampf der Kurden gegen den IS dürfe der kurdischen Organisation keinen „Mantel der Legitimität“ verleihen. Tusk hatte zuvor angemerkt: „Wir sind uns einig im Kampf gegen Daesh (den IS).“ Ankaras Vorgehen gegen die PKK wird in einigen europäischen Hauptstädten kritisch gesehen. Es gibt die Befürchtung, die Regierung könne den Kampf gegen den IS gegen die Kurden missbrauchen.

Tusk kritisierte zudem die russischen Bombenangriffe in Syrien scharf. „Wir waren uns einig, dass die Lösung nicht dadurch herbeigeführt werden kann, dass Russland, in Allianz mit (dem syrischen) Präsidenten Assad legitime Oppositions-Kräfte bombardiert.“

Erdogan betont türkische Leistung in der Flüchtlingsfrage

Zum Umgang mit den Flüchtlingsbewegungen sagte Tusk, die EU müsse ihre Außengrenzen besser schützen. „Wir erwarten von der Türkei das Gleiche.“ Erdogan wies darauf hin, dass die Türkei seit nunmehr vier Jahren Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs gastfreundlich aufnehme, ohne Ansehen der Religion. Derzeit befänden sich beinahe 2,5 Millionen Migranten im Land, 2,2 davon aus Syrien.

„Unsere europäischen Freunde“ hätten hingegen Schwierigkeiten, in der Krise eine gemeinsame Position zu finden, merkte Erdogan an. Die EU-Staaten konnten sich jüngst nur unter größten Mühen und gegen den Widerstand von vier östlichen EU-Staaten auf die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa geeinigt.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte, er wolle Erdogan einen gemeinsamen türkisch-europäischen Aktionsplan zum Umgang mit der Flüchtlingskrise vorschlagen.

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5 Kommentare

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  • Was ist das für eine "Gastfreundschaft", wenn man den Flüchtlingen keine Arbeitserlaubnis gibt und Ihnen damit die Möglichkeit nimmt, auf legale Art und Weise für sich selber zu sorgen?

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    "Der EU scheinen mittlerweile alle Mittel recht zu sein, um Flüchtlinge abzuwehren!"

    Ich kenne die Europa nicht anderes. Es ging den Westen nur wirtschaftliche Interessen. Man schwätzt eben gerne über Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und über Toleranz in den Westen. Es muss aber nichts heißen. Ganze Mist in Nahenosten verdanken wir den s.g. Westen.

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Ich halte von s.g. Westen nichts einfach nichts. Verlogen, unmoralisch und Menschenfeindlich.

  • Ich kann aus meiner Sicht nicht erkennen, worin der Kampf der Türkei und Erdogans gegen die IS bestehen soll. Der einzige ernst zu nehmende Feind der IS ist die PKK, der auch in der Lage ist, den IS in seine Schranken zu verweisen. Die Leistungen der Türkei in Sachen Flüchtlingsaufnahme sollen dabei nicht geschmälert werden. Erdogan ist Machtpolitiker und reiner Populist, weshalb er auch gegen die PKK und die Kurden provoziert. Er glaubt, daß er dadurch in der nächsten Wahl die absolute Mehrheit wieder gewinnen kann.

     

    In diesem Fall hat m. E. die Türkei die zum Frieden bereite PKK zuerst provoziert und angegriffen. Es ist kein Wunder, daß die PKK den Fehdehandschuh sofort wieder aufgenommen hat. Das war jedoch gerade das Kalkül von Erdogan, der damit seine militärischen Eskalationen rechtfertigen konnte. Wer soll es der PKK als neutraler Beobachter verweigern wollen, daß sie kurdisches Gebiet und kurdische Kultur vor egomanischen Diktatoren rund um diese Region verteidigen wollen?

     

    Wenn man sich weltweit umsieht und die Verheerungen durch Krieg und sog. Terrorismus anschaut, dann bin ich sicher, daß die Missetaten durch Staatsterrorismus ein wesentlich schlimmeres Ausmaß angenommen haben als diese der offiziell als Terroristen bezeichneten Akteure. Wenn man sich als Bürger gegen eine Diktatur wehrt, wird man sofort als Terrorist abgestempelt. So verfahren die USA, Rußland, China, Saudi-Arabien, die afrikanischen und südamerikanischen Unrechtsysteme. Auch Deutschland besitzt eine Tendenz dazu. Natürlich ist die Türkei auch ein exzellentes Beispiel dafür!

     

    Nun verhandelt Erdogan mit der EU über Flüchtlingsaufnahmelager in der Türkei. Bei dem Gedanken ist mir nicht besonders wohl. Er hat damit ein Faustpfand in der Hand, mit dem er die EU erpressen kann. Wie die Verhältnisse in diesen zukünftigen Lagern aussehen werden, das kann man schon ahnen! Der EU scheinen mittlerweile alle Mittel recht zu sein, um Flüchtlinge abzuwehren!

    • @Peter A. Weber:

      Es ist in beiderseitigen Interesse, sowohl der EU, als auch der Türkei, diese Flüchtlingsaufnahmelager in der Türkei - aber man sollte nun nicht unter dem Eindruck des Schock des Flüchtlingsansturm von der Forderung abrücken, die PKK zu legitimieren, wie das bei der letzten Parlamentswahl in der Türkei sich schon abzeichnete, als die prokurdische Partei HDP 10 % der Stimmen erhielt. Sicher sind diese Aufnahmelager auch ein Faustpfand, um Kritiker der Türkei in der EU zum schweigen zu bringen.