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EU-Beitrittsantrag MoldauWenige Hoffnungsschimmer

In Moldau bekommen die Menschen die Folgen der Inflation zu spüren. An das Versprechen des europäischen Wohlstands glauben nur die wenigsten.

Die Benzin- und Strompreise können sich viele Moldauer nicht mehr leisten Foto: Veronique Popinet/imago

W enn man versucht, das heutige Moldau mit einem Wort zu beschreiben, würde „Chaos“ wohl am ehesten zutreffen. Die Inflation beträgt fast 30 Prozent. Für ausnahmslos alle Dinge sind die Preise ins Astronomische gestiegen, besonders aber für Benzin und Strom.

Und das alles vor dem Hintergrund einer völligen Tatenlosigkeit der Regierung. Präsidentin Maia Sandu versucht schon gar nicht mehr, das zu verbergen, und sagt offen, dass es keine Perspektive gibt, die Inflation zu verringern. Im Land schlagen die Protestwogen hoch, die Menschen fordern den Rücktritt der Regierung. Und jetzt wurde die Republik Moldau als EU-Beitrittskandidat anerkannt.

Den Antrag hatte Moldau gleich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gestellt. Und er wurde angenommen. Es könnte wie ein Hoffnungsschimmer auf ein Happy End aussehen. Doch nicht alles läuft ab wie das Drehbuch für einen Hollywoodfilm: Die Aussicht auf einen EU-Beitritt stößt in der Bevölkerung auf wenig Begeisterung. Als Antwort auf die Anerkennung als Kandidatenstaat hat Sandu verkündet, dass der EU-Beitritt ein wichtiges Ziel für das Land sei und „wir sind bereit, jeden beliebigen Preis zu zahlen, wir sind bereit, alles dafür zu geben“.

Doch die Bürger des Landes meinen, dass für alles schon sehr viel bezahlt wurde. Die schönen Versprechungen, dass die Europäische Union den Moldauern mehr Wohlstand bringen könnte, werden hier niemanden täuschen. Die von der Realität erschöpften Menschen sind skeptisch gegenüber allem.

Bild: privat
Alla Bjuk

lebt in der Stadt Komrat, in Gagausien, einem Autonomen Gebiet im Süden der Republik Moldau. Sie ist stellvertretende Chefredakteurin der Zeitung Nachrichten Gagausiens. Im Jahr 2015 nahm sie an einem Osteuropa Workshop der taz Panter Stiftung teil.

Bewohner, die von einem besseren Leben träumen

In den letzten paar Monaten sind die Schlangen für die Beantragung von Reisepässen immer länger geworden. Und in diesen Schlangen stehen die Bewohner des kleinen Agrarlandes, die von einem besseren Leben träumen: Euros verdienen, an den besten europäischen Hochschulen studieren und sich in europäischen Ferienorten erholen. Aber bis jetzt sind das einzige Europäische bei uns die Preise.

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Es gibt noch einen zweiten Aspekt in dieser Frage: Der EU beizutreten bedeutet, die Hoffnung auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu begraben. Und außer den Träumen von europäischen Ferienorten und ebenen Wegen lebt in den Herzen der Moldauer noch ein anderer, süßer Wunsch – ihr Land weder von Russland noch von der EU abhängig zu sehen.

Aber seien wir Realisten: dafür benötigen wir Dutzende von Jahren, und die Armut breitet sich gerade jetzt und mit noch nie da gewesener Geschwindigkeit aus. Und je schneller die Armut zunimmt, desto nötiger braucht die Regierung politische Anreize. Die Machthaber versuchen noch, sich an ihre Sessel zu krallen, während die Traktoren mit leeren Tanks auf den Feldern stehen und auf Treibstoff warten, für den die Bauern einfach kein Geld haben. Und gleichzeitig hören die Traktoristen im Radio die schönen Märchen darüber, wie reich und sorglos unser Leben in der EU sein wird. Irgendwann.

Aus dem Russischen: Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September heraus.

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