EU-Beitritt der Türkei: Westerwelles Hosen

Außenminister Westerwelle befürwortet einen EU-Beitritt, die Kanzlerin nicht. Das ist schade für Westerwelle: Der EU-Beitritt der Türkei ist das einzige Thema, zu dem er sich klar äußerte.

Nein, es geht hier nicht um das Urlaubsland Türkei. Bild: reuters

BERLIN taz | Mit einem Thema der Außenpolitik hat sich der zuständige Minister bisher nur ein einziges Mal ins Gespräch gebracht, Anfang Januar, als Guido Westerwelle in der Türkei Sympathiewerbung betrieb. Deutschland habe großes Interesse an einer EU-Mitgliedschaft des Landes, erklärte der FDP-Chef damals. Kritische Nachfragen, ob er damit für die gesamte Regierung spreche, beantwortete er mit dem Satz: "Ich stehe hier nicht in kurzen Hosen als Tourist."

Zweieinhalb Monate später reist nun die Kanzlerin an, und sie scheint geneigt, Westerwelles Kleidung um einen halben Meter zu verkürzen. Merkel sei weiterhin skeptisch, "dass die Europäische Union mit einer Mitgliedschaft der Türkei ihre ursprüngliche Natur, ihre Handlungsfähigkeit und auch ihren Charakter bewahrt". Das Gesprächsklima zwischen Merkel und ihrem Amtskollegen Tayyip Erdogan wurde mit Vokabeln wie "offen", "klar", "ehrlich" und "deutlich" beschrieben. Das heißt im Diplomatendeutsch: Wenn die beiden sich treffen, fliegen die Fetzen.

Dabei steht der EU-Beitritt aktuell gar nicht auf der Agenda, zumal sich die deutschen Regierungspartner in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt haben, die Verhandlungen "ergebnisoffen" fortzuführen. Im Mittelpunkt steht der Atomstreit mit dem Iran, ein Thema, bei dem auf Einigkeit allerdings noch weniger zu hoffen ist. Merkel will die Türkei für mögliche Sanktionen gegen das Nachbarland gewinnen, Erdogan lehnt das strikt ab. "Schon mehrfach wurden Sanktionen gegen Iran beschlossen, aber was war das Ergebnis?", fragte der Regierungschef in der Zeitschrift Spiegel. "Was wir hier brauchen, ist: Diplomatie, Diplomatie, Diplomatie."

Die Türkei ist nach China der wichtigste Handelspartner des Iran, die Verkehrsverbindungen zwischen beiden Ländern wurden zuletzt sogar ausgebaut. Insofern argumentiert Erdogan im Umgang mit dem östlichen Nachbarn gar nicht so anders als Westerwelle im Umgang mit der Türkei. Auch die FDP steht unter starkem Druck der Wirtschaft, die eine Intensivierung der deutsch-türkischen Beziehungen wünscht. Das betrifft keineswegs nur jene Passagiere aus dem eigenen Umfeld, die er Außenminister zu seiner Visite im Januar mitnahm.

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