EU-Afrika-Gipfel: Streit um Mugabe-Teilnahme
Darf Simbabwes Präsident zum historischen EU-Afrika-Gipfeltreffen nach Lissabon reisen? Eine britische Ausladungsforderung zieht eine erste Boykottdrohung aus Sambia nach sich.
LUSAKA taz Das Gipfeltreffen zwischen allen EU-Mitgliedern und allen Ländern Afrikas, die größte euro-afrikanische Konferenz seit Jahren, ist zwar erst für Dezember geplant, aber schon jetzt bringt Simbabwe den Gipfel an den Rand des Scheiterns. Nachdem Großbritanniens neuer Premierminister Gordon Brown am vergangenen Donnerstag per Zeitungsartikel ankündigte, den Gipfel in Portugal zu boykottieren, falls Simbabwes umstrittener Präsident Robert Mugabe dort auftauchen sollte, scharen sich afrikanische Staatschefs um ihren Amtskollegen. Als Erster erklärte Ende letzter Woche Sambias Präsident Levy Mwanawasa, er komme auch nicht, falls Mugabe nicht dürfe.
Mwanawasa äußerte sich in seiner Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender der Regionalgemeinschaft SADC (Southern Africa Development Community), und so wird davon ausgegangen, dass seine Boykottdrohung auch für andere Länder der Region gilt. "Ich weiß nicht, wie manche von uns ohne Mugabe nach Portugal fahren können", so der Präsident. "Wenn Mugabe nicht hingehen darf, gehe ich auch nicht hin. Das bedeutet nicht, dass ich glücklich mit der Lage in Simbabwe bin; aber ich denke, man muss mit unseren Kollegen in Simbabwe weiter einen Dialog führen." Erst letzten Monat hatte sich ein SADC-Sondergipfel in Sambias Hauptstadt Lusaka klar hinter Mugabe gestellt.
Der EU-Afrika-Gipfel ist als regelmäßige Einrichtung alle zwei Jahre gedacht. Aber er hat erst ein einziges Mal stattgefunden, 2000 in Kairo. Der nächste wird seitdem immer wieder verschoben. Grund ist, dass die EU 2002 Reisesanktionen gegen Simbabwes Präsident Mugabe und seine Entourage verhängte und er daher nicht auf EU-Boden einreisen soll. Die afrikanische Seite hat mehrfach gesagt, diese Sanktionen dürften nicht für internationale Gipfeltreffen gelten.
Es war bisher nicht möglich, dazu einen Konsens zu finden. Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft, die im vergangenen Juli von Deutschland übernahm, brachte Bewegung in die Sache, als sie sagte, die AU müsse selbst entscheiden, wer aus Afrika zum Gipfel kommt. Sie setzte den 8. und 9. Dezember als Gipfeltermin in Lissabon fest. Es wird ein sehr wichtiger Gipfel, denn er erfolgt kurz vor Ablauf der Frist zum Aushandeln neuer Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika, die in Afrika sehr kontrovers diskutiert werden.
Einladungen für den Gipfel sind noch nicht verschickt, und in der EU herrscht keine Einigkeit über den Umgang mit Mugabe. Letztes Jahr durfte der Simbabwer unbehelligt samt Ehefrau zum franko-afrikanischen Gipfel nach Paris reisen. Das macht es ziemlich schwierig, ihn aus Lissabon auszuladen.
Browns Intervention hat nun Öl ins Feuer gegossen. "Mugabes Anwesenheit wird den Gipfel von den wichtigen Problemen ablenken", schrieb der britische Premier im Independent: "Unter diesen Umständen wäre meine Anwesenheit unangebracht." Ein EU-Afrika-Gipfel ohne Großbritannien, größtes europäisches Geberland für Afrika, wäre jedoch noch sinnloser als einer ohne Simbabwe. EU-Entwicklungskommissar Louis Michel, ein ehemaliger belgischer Außenminister, hat sich hinter Brown gestellt, während Portugal ihn kritisiert hat.
Im Establishment des südlichen Afrika stößt die britische Haltung auf Unverständnis, da andere afrikanische Gewaltherrscher nicht mit einem Gipfelausschluss bedroht werden. Kurios stieß in Sambia auf, dass gleichzeitig zu Browns Vorstoß gegen Mugabe die schottische Regierungspartei SNP (Schottische Nationalpartei) in Sambia eine Partnerschaft mit der kleinen Oppositionspartei FDD (Forum für Demokratie und Entwicklung) ankündigte. Simbabwes staatliche Tageszeitung Herald munkelte daraufhin, man sehe wieder einmal, wie imperialistisch die Schotten aufträten: neben der SNP stammt aus Schottland auch Gordon Brown sowie der letzte weiße Herrscher des heutigen Simbabwe vor der Unabhängigkeit, Ian Smith.
Sambias führende unabhängige Zeitung The Post, die sonst an Präsident Mwanawasa kein gutes Haar lässt, stellte sich hinter dessen Gipfelboykottdrohung und meinte, es sei endlich an der Zeit, dass die afrikanische Position zu Simbabwe mehr Gewicht erhalte. Dies entspricht einem verbreiteten Konsens auch unter Mugabes Kritikern in der Region. Sie fürchten, die britische Haltung stärke Mugabe in seiner Märtyrerpose, nachdem zuletzt in die simbabwische Politik ein wenig Bewegung geraten war: Die regierende ZANU/PF (Simbabwe Afrikanische Nationalunion) und die Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) einigten sich auf eine Verfassungsänderung vor den Wahlen 2008, und im Dezember soll ein ZANU/PF-Sonderparteitag Mugabes Politik diskutieren. In Simbabwe herrschen 6.000 Prozent Inflationsrate und 80 Prozent Arbeitslosigkeit; Verarmung und Repression haben ein Drittel der einst 13 Millionen Einwohner in die Flucht getrieben.
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