EMtaz: Hooligans aus Polen: Sie waren nie weg
Gegen Deutschland könnte es knallen. Polen verharmlost sein Hooliganproblem. In Frankreich sind die Chuliganis bloß noch nicht aufgefallen.
25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag, und die Fußballfans haben sich stets bemüht, ihn auf krude Weise mit Leben zu erfüllen: 1996 pilgerte ein deutscher Neonazi-Mob, etwa 300 Mann, zum Länderspiel ins schlesische Zabrze und provozierte mit dem Transparent „Schindler-Juden, wir grüßen euch“. Die Stunde der Polen schlug dann, als sie bei der WM 2006 den Part der Bösewichte übernahmen und vor dem Gruppenspiel gegen Deutschland die Innenstadt von Dortmund in ein Schlachtfeld verwandelten.
Wer jetzt, angesichts der massiven Ausschreitungen von Marseille, konstatiert, dass die Hooligans wieder da seien, dem sei gesagt, dass sie im deutsch-polnischen Kontext nie verschwunden waren. Und auch die Nähe zwischen Hooliganismus und Rechtsradikalismus, die nun als neueres Phänomen dargestellt wird, war aufgrund des historisch bedingten nationalen Antagonismus dieser Staaten hier immer schon sichtbar.
Ganz anders als in Deutschland ist in Polen jedoch die Akzeptanz offen nationalistischer und gewaltbereiter Fans in der Gesellschaft. Da das gesamte relevante politische Spektrum in Polen viel weiter rechts steht, sind die „Chuligani“ keine totalen Außenseiter, sondern werden bestenfalls als ein bisschen peinlich und unkultiviert wahrgenommen.
Dies mag ein Grund dafür sein, dass in der Berichterstattung der polnischen Medien über die Ausschreitungen bei dieser EM bisher fast ausschließlich von Russen, Engländern und einheimischen französischen Fangruppen die Rede ist, ohne dass man im nächsten Schritt nach dem polnischen Gewaltpotenzial fragt.
Frankreich ist schlecht gerüstet: Es könnte wieder knallen
Selbst im Hinblick auf die kommende Begegnung zwischen Deutschland und Polen erfährt der Leser viel über die Aktivitäten der deutschen Polizei, um potenzielle Gewalttäter an der Einreise nach Frankreich zu hindern. Sogar die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ in Duisburg wird mit ihren Erkenntnissen über deutsche Hooligans häufig zitiert.
Über die polnischen Fans in Frankreich erfährt man nur, dass diese vor dem Spiel gegen Nordirland von Ultras des örtlichen Fußballklubs OGC Nizza angegriffen wurden und sich „Schulter an Schulter“ mit den Nordiren zur Wehr setzten. Und obwohl im Internet Filme von Scharmützeln zwischen polnischen und nordirischen Fans kursieren, versichern sowohl bekannte Journalisten als auch ein Vizepräsident des polnischen Fußballverbands via Twitter, dass sich in Nizza kein Pole an Schlägereien beteiligt habe.
Ein wenig konkreter wird der Fanbeauftragte des Fußballverbandes, Dariusz Lapinski, in einem aktuellen Interview mit dem TV-Sender Polsat. Für ihn ist beim ersten Spiel der Polen in Nizza alles relativ ruhig geblieben, weil dort recht wenige polnische Fans vor Ort waren und die Organisation rund ums Spiel sehr gut war.
Zum Match gegen Deutschland in Paris erwartet er allerdings bis zu 30.000 polnische Fans, von denen viele keine Eintrittskarten haben. Ob es zu Ausschreitungen kommt, hängt seiner Ansicht nach stark davon ab, wie reibungslos die Organisation sowohl im Stadion als auch auf den Fanmeilen klappt. Da Lapinski aber ebenfalls betont, dass sich Frankreich bisher nicht besonders gut gerüstet zeigt, klingt durchaus eine gewisse Besorgnis an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers