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ELTERNUNTERHALT: DIE PFLEGEVERSICHERUNG MUSS REFORMIERT WERDENLang leben ist zu teuer

Die Sozialämter haben die Frage, über die der Bundesgerichtshof heute entscheidet, für sich längst beantwortet. Wenn Rabenkinder ihre betagten Eltern ins Pflegeheim abschieben, dann dürfen sie gefälligst selber dafür zahlen. Das sollte ihnen auch gar nicht schwer fallen, so glauben die Bürokraten, denn sie gehören ohnehin zur privilegierten Erbengeneration. Und weil die Beamten ja keine Unmenschen sind, können die Kinder sogar ihr Einfamilienhaus behalten.

Was sich einleuchtend anhört, sieht für die Betroffenen – zu denen fast jeder einmal gehören kann – ganz anders aus. Die Lücke, die sich zwischen den Sätzen der Pflegeversicherung und den tatsächlichen Heimkosten auftut, bewegt sich oft im vierstelligen Eurobereich. Da können, je nach Dauer der Pflegebedürftigkeit, Beträge von 100.000 Euro und mehr zusammenkommen.

Und die müssen ja gerade nicht die glücklichen Erben bezahlen. Sind die Eltern reich genug, müssen sie ihre Pflege ohnehin selbst bezahlen. Die Kinder springen nur dann ein, wenn es gar nichts mehr zu erben gibt – weil die Eltern entweder nie ein Vermögen besaßen oder weil es durch die Heimkosten bereits aufgezehrt ist. Einspringen muss in der Regel die Generation, die gleichzeitig die Ausbildung der eigenen Kinder finanziert – und eigentlich Geld zurücklegen sollte, weil sie selbst demnächst in Rente geht. Auch die Hoffnung, dieser finanzielle Druck könne die Kinder zu häuslicher Pflege animieren, taugt nicht als Argument. Die Gründe, die für eine Heimunterbringung sprechen, sind vielfältig – und keinesfalls immer verwerflich. Niemand kann außerdem erklären, warum dieser Druck nur auf eine eng begrenzte Bevölkerungsgruppe ausgeübt werden soll: auf Berufstätige, die selbst ganz ordentlich verdienen – deren Eltern die Pflege aber nicht aus eigener Tasche bezahlen können.

Es geht um eines der großen Lebensrisiken – und die sind eigentlich ein klassischer Fall für die Sozialversicherung. Wer Eltern hat, die über einen langen Zeitraum intensive Pflege benötigen, der hat eben einfach Pech gehabt, so wie jemand, der einen Unfall erleidet, arbeitslos wird oder ins Krankenhaus muss. Das hatte der einstige Sozialminister Norbert Blüm erkannt und die Pflegeversicherung eingeführt. Doch das Geld dieser Versicherung reicht nicht. Darin liegt das eigentliche Problem. Angesichts der Debatte um die Lohnnebenkosten wagt es aber kein Politiker, die Beiträge zur Pflegeversicherung zu erhöhen. So bleiben die Sozialämter der ohnehin klammen Kommunen auf den Pflegekosten sitzen – und die werden weiter nach Wegen suchen, sich das Geld zurückzuholen. RALPH BOLLMANN

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