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Archiv-Artikel

EKD-CHEF KOCK VERGLEICHT US-PRÄSIDENT BUSH MIT FUNDAMENTALISTEN Kein Funken Erkenntnis

Wenn es nur möglich wäre, Redefiguren zu verbieten! Dann könnte man endlich und zuallererst das öffentliche Vergleichswesen bekämpfen. Denn erstens darf die deutsche Nazivergangenheit nicht dazu dienen, anderer Leute Untaten unter-, über- oder sonstwie zu bewerten. Insbesondere die Pflege des Hitler-Bush-Vergleichs sollten wir unseren angloamerikanischen Freunden überlassen. Wobei es egal ist, ob man von einem Vergleich oder einer Gleichsetzung spricht, denn diese feine Unterscheidung hat am Küchentisch und im Geschichtsseminar Platz, aber niemals in einem Interview.

Zweitens ist der Vergleich zwischen Ussama Bin Laden und George W. Bush völlig ausgereizt. Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy hat ihn berühmt gemacht, als sie Bin Laden kurz nach dem 11. September den „dunklen Doppelgänger des US-Präsidenten“ nannte. Dem war schon damals nichts mehr hinzuzufügen. Das bemerkte „Tagesthemen“-Moderator Ulrich Wickert zu spät und bezog für seine Roy-Interpretation zu Recht Prügel. Drittens: Auch die Lightversion dieses Motivs – der Vergleich von Präsident Bushs Argumentationsweise mit einer fundamentalistischen – bringt die Debatte nicht voran. Nun hat der Evangelenchef Manfred Kock über Bush gesagt, dass „islamische Fundamentalisten im Grunde die gleiche Terminologie verwenden“. Und wieder ist der Sturm der Entrüstung programmiert.

Das nervt schon deshalb, weil es dabei natürlich nicht darum geht, ob – um bei einem der Vergleicher zu bleiben – Kock „Recht hat“. Sondern darum, wozu der Vergleich eingesetzt wird. Niemand, dessen Worte gedruckt und gesendet werden, benutzt einen der genannten Vergleiche, ohne damit provozieren zu wollen. Aber wozu bloß? In keinem dieser Vergleiche steckt auch nur ein Funken Erkenntnis. Sie alle dienen in der öffentlichen Rede dazu, Böses in Bösem zu spiegeln, auf dass es sich, so vermutlich die Hoffnung, irgendwie gegenseitig neutralisiere. Damit verhindert die ganze Vergleicherei tatsächlich eine Analyse von Bushs Innen- und Außenpolitik. Und ist deshalb so überflüssig wie ein Kropf. ULRIKE WINKELMANN