EINE REPLIK AUF DEN KOMMENTAR „ARROGANZ DER MENSCHENRECHTLER“: Das Geschäft der Machthaber
Es ist ein alter Hut, dass diktatorische Regime Menschenrechtsfragen zugunsten höherer Werte – wie „Nation“ oder „soziale Gleichheit“ – für nebensächlich erklären. Neu, wenn auch dem Zeitgeist gemäß, ist, dass der freie Welthandel ein solcher Wert sein soll. Und neu ist, dass es nicht die Diktaturen selbst sind, die so argumentieren, sondern ein Mitarbeiter dieser Zeitung: China-Korrespondent Georg Blume in seinem gestrigen Kommentar zur Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation.
Nicht nur dass er mit seiner Kritik auf Pappkameraden einschlägt – es war nun wirklich nicht die Frage der Menschenrechte, die zwei Drittel der US-Demokraten bewog, der China Bill ihre Stimme zu verweigern, sondern die Angst der US-Gewerkschaften vor den Auswirkungen einer chinesischen Marktöffnung auf die USA. Völlig ohne Not also erklärt Blume Menschenrechtler zu ewig gestrigen Moralaposteln und Chinas WTO-Beitritt zum Hilfsprogramm für arme Bauern.
Georg Blume hat in vielen Texten erklärt, dass das heutige China, nur durch die Menschenrechtsbrille betrachtet, nicht zu verstehen ist. Da hat er Recht. Wie immer bei solchen Debatten geht es jedoch im Kern um die universelle Geltung der Menschenrechte – gerade für Minderheiten. Und wenn es denn tatsächlich so wäre, dass der Westen die Menschenrechtsfrage zum Scheidepunkt seiner China-Politik machte und dem armen Landbauern den Wohlstand verweigerte – dann müsste sich die chinesische Führung fragen lassen, warum sie wegen eines sturen Beharrens auf der Repression das Wohl der großen Mehrheit aufs Spiel setzt. Blume dreht den Spieß schon einmal vorauseilend um – eine sprachliche und gedankliche Meisterleistung. Allerdings mit schwerwiegenden Folgen, wie man sie beispielsweise aus dem Chile Pinochets kennt, dessen Regime die politische Friedhofsruhe durchsetzte, um die Wirtschaft zu sanieren. Selbstverständlich gehört China wirtschaftlich eingebunden. Forderungen nach einer damit einhergehenden politischen Öffnung und Rechtsstaatlichkeit westliche Arroganz vorzuwerfen sollte bitte das Geschäft der Machthaber bleiben. BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen