EIN NATO-EINATZ WIDERSPRICHT DER VERNUNFT UND GRÜNEN BESCHLÜSSEN: Nur mit UN-Mandat nach Mazedonien
Gegen eine Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr am Nato-Einsatz in Mazedonien steht die Beschlusslage der Bündnisgrünen. Es soll ein internationaler Einsatz der Bundeswehr zur Erhaltung des Friedens sein. Es geht also um „peace keeping“, unabhängig davon, dass das, was aus Mazedonien berichtet wird, kaum als Frieden zu bezeichnen ist.
Ein Jahr nach Ende des Kosovokrieges hatte der grüne Parteitag am 24. Juni 2000 in Münster in einem Beschluss festgestellt, Aufgabe der Bundeswehr sei, „sich an internationalen Einsätzen zur Erhaltung und Wiederherstellung des Friedens, die mit einem Mandat der Vereinten Nationen durchgeführt werden, zu beteiligen“. Also auch Friedenserhaltung nur mit UN-Mandat. In dem Beschluss von Münster heißt es, die Grünen sähen es als notwendige Voraussetzung an, dass „der Einsatz mit einem Mandat der Vereinten Nationen erfolgt“. Diese Voraussetzung ist für den geplanten Einsatz in Mazedonien nicht gegeben.
Die Erklärung des Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats vom 13. August dieses Jahres enthält kein UNO-Mandat. Diese Erklärung befasst sich mit dem Rahmenabkommen über die bessere Respektierung der ethnischen Identität und Interessen aller mazedonischen Bürger. Der Vorsitzende teilte mit: der Sicherheitsrat begrüße das Rahmenabkommen zwischen Regierung und den Führern der vier politischen Parteien sowie die Bemühungen von EU, OSZE und Nato zur Unterstützung des Abkommens. Eine solche Erklärung kann ein Mandat nicht ersetzen.
Die Passage des Parteitagsbeschlusses, die internationale Einsätze der Bundeswehr an ein UN-Mandat bindet, war nicht umstritten. Weder der Grünen-Bundesvorstand noch der Parteirat können Beschlüsse des Parteitages ändern. Im Übrigen wurde der Parteitagsbeschluss im Juli auch in den aktuellen Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Grünen wörtlich übernommen.
Der Einsatzplan der Nato ist also nicht nur unrealistisch, unehrlich und nicht zu Ende gedacht, es fehlt auch das UNO-Mandat.
Hinzu kommt: Die Nato ist absolut ungeeignet, die UÇK zu entwaffnen und einen Waffenstillstand zu garantieren. Denn sie wird von großen Teilen der mazedonischen Bevölkerung nicht als neutral und als ehrlicher Makler angesehen. Zu Recht. Die USA und ihre Nato-Partner waren es, die einst die UÇK aufgebaut, ausgebildet und finanziert hatten. Im Kosovokrieg war die UÇK Verbündete, die Bodentruppe der Nato – und nach dem Krieg hat die Nato die UÇK nicht entwaffnet. Die UÇK verfügt heute über mehr Waffen als je zuvor. Die Nato lässt zu, dass die UÇK Waffen und Kämpfer vom Kosovo nach Mazedonien schleust. Bis heute.
Vor einigen Wochen noch brachten US-Soldaten der Nato hunderte UÇK-Kämpfer – unter ihnen 17 US-Militärberater – aus einer Umzingelung in Aračinovo mit all ihrem Kriegsgerät in Sicherheit. Kein Wunder, dass die Nato in Mazedonien als Teil des Problems gesehen wird.
Es steht zu befürchten, dass die UÇK mit den nicht abgelieferten Waffen im Schatten von Nato und Bundeswehr in Mazedonien weiter Menschen vertreibt, und zwar die nicht albanischstämmige Bevölkerung aus den Gebieten, die überwiegend von Albanern bewohnt werden. Ganz wie im Kosovo.
Die UÇK will die Nato in Mazedonien haben. Andere Truppen akzeptiert sie nicht. Wieder – wie schon im Kosovokrieg – bestimmt die UÇK Nato-Politik.
Nur eine als neutral anerkannte Truppe mit eindeutiger Legitimation durch die Völkergemeinschaft kann wirksam Frieden bewahren. Deshalb hatte ja der grüne Parteitag beschlossen, für jeden internationalen Einsatz der Bundeswehr sei ein Mandat der UN erforderlich.
Wenn die UÇK es ernst meint mit der Abgabe der Waffen und die Nato mit der Entwaffnung der UÇK, sollen sie im Kosovo gleich anfangen, wo die Nato ohnehin schon ist. Gleichzeitig ist der UN-Sicherheitsrat mit konkreten Vorschlägen für ein Mandat zur Wiederherstellung und Erhaltung des Friedens in Mazedonien zu befassen.
Es mag sein, dass der geplante Nato-Einsatz diesmal nicht Völkerrecht verletzt, weil die Konfliktparteien zugestimmt haben; aber er verstößt gegen die politische Vernunft – und die bündnisgrünen Beschlusslage. HANS-CHRISTIAN STRÖBELE
Der Autor lebt als grüner Bundestagsabgeordneter in Berlin
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