: EIERKÖPFE UND SPEKULATIUSLANDSCHAFTEN
■ Donatello Losito in der Galerie Michael Schultz
Daß die bedrängenden Visionen postkatastrophaler Zustände sich in erlösendes Lachen ausschütteln können, ist psychologisch ein Akt des Überlebens. Ästhetische Mittel für die Befreiung von üblen Ängsten bieten die Satire und Karikatur, oder, wie in Donatello Lositos Bildern, die Groteske.
Da hocken zumeist zwei Figuren, Mann und Frau, Poet und Politiker, Weib und Tier dicht beieinander, in einen festen Rahmen gepreßt, fast eingeschweißt wie gelötete Teile. Regungslos kommunizieren sie miteinander, stumm, merkwürdig gesichtslos, ohne Charakter. Die Eierköpfe und Mondgesichter mit blinden Augen und verklebten Mündern sind in einen fetten schwarzen Kontur gefaßt, der sie einschnürt und bandagiert. Lächelt ein Kopf, jetzt verwandeln sich die Konturen in einfache Chiffren des Cartoons, so glaubt man einen gepreßten Ton hinter der Binde zu hören, der sich zu einem Wimmern verzerrt. Und, neigen sich zwei Gestalten zärtlich einander zu, umarmen ihren dicken Körper mit plumpen Händen, wo Finger fehlen und andere Gliedmaßen maniriert sind, dann ist ihnen ein bloßes Erstaunen über ihr Tun, wenn nicht sogar Trauer anzusehen. Distanzen scheinen unüberbrückbar, Ausbruch unmöglich, ein lebendiges Zeichen im verwobenen festen Rahmen ausgeschlossen.
Doch das Ende vom Lied singen diese puppenartigen staksigen Wesen auf eine Weise, die mit einem Requiem nichts gemein hat. Lositos Figuren, zwar starre Konturen, die wie zum Ausschneiden gemacht sind und eingefangen bleiben in einem Netz von Schaltplänen und chipartigen Leitungsbahnen, spielen mit der Vision totaler Vernetzung, durchleuchteter Identität und mikroprozessoraler Intelligenz. Denn verfolgt man die dicken Konturen, ist zu sehen, daß diese dem strengen Netz einen Streich spielen, Schaltungen stoppen, Einbahnstraßen bauen und plötzlich mehrere Leitbahnen legen. Da knallen dann Sensoren wie Fühler aus dem geschlossenen System und werden Synapsen für eine anders geartete Umschaltstelle. Elektronische Nervenenden, eben noch gleichströmig, tauschen ihre Pole und geradlinige Hirnströme schlagen Haken, um neue Wege im Gesicht zu suchen, über das sich ein hämisches Grinsen legt und Proportionen verzerrt.
Der Ursprung für Lositos Schaltplanbilder mit Sujets fließender Elektronik ist das süße Spekulatiusgebäck, über dessen Form er seit langem meditiert. Die weihnachtlichen Figuren und hieroglyphischen Zeichen scheinen neu zu erstehen, als Backform elektronischer Bausätze, in deren Netz menschliche Figurationen verharren: beeinflußbar, kontrollierbar und funktional. Wie Maschinen stehen sie still und bewegungslos, bis Stecker ihnen Energie zuführen, um gleichmäßig zu rotieren. Doch zweidimensional, zur Landschaft geworden, sieht ihre Anatomie einem Geflecht aus Röhren gleich, das verwegenen Irrgärten entspricht, in deren Relief sich Informationen eher verirren und programmierte Initialisierung dem lustigen Versteckspiel ausgesetzt ist.
rola
Die Ausstellung „Donatello Losito“ ist bis zum 6. Mai in der Galerie Michael Schultz, Mommsenstraße 32, zu sehen. Di-Fr 14-19, Sa 11-15 Uhr. Der Katalog kostet 25 Mark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen