EGAL, WER DIE ARBEITSÄMTER LEITET: ES IST ZEIT FÜR EINE REFORM: Bauernopfer Jagoda
Wer jemals ein Arbeitsamt von innen gesehen hat, weiß, was die Bundesanstalt für Arbeit ist: eine schwerfällige, verkrustete Behörde, in der nicht die Hilfe für die Arbeitssuchenden, sondern der Erhalt der eigenen Pfründen im Vordergrund steht.
Viele Arbeitswillige erleben die Arbeitsämter als bürokratisch und unflexibel. Was Wunder: Deren Mittel hängen nicht von der Anzahl der Jobvermittlungen, sondern von der Zahl der zu betreuenden Arbeitslosen ab. Die wenigen Berater haben kaum Zeit, bekommen ihre „Fälle“ nicht nach Berufsgruppen, sondern nach dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens zugewiesen. Zudem müssen sie ein völlig veraltetes, aus den 50er-Jahren stammendes Arbeitsmarktmodell anwenden. Noch immer differenzieren die Arbeitsvermittler lediglich nach Ungelernten, Gelernten und Akademikern. Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt haben die Beamten schlicht verschlafen. Arbeitssuchende empfinden den Gang zum Amt deshalb als erniedrigend. All das war seit Jahren bekannt. Presseberichte ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig – zuletzt im Dezember vergangenen Jahres. Nur: Interessiert hat das niemanden.
Augen zu und durch, lautete die Devise der Nürnberger Dementikönige. Und die Kontrolleure, besetzt mit Vertretern des Arbeitsministeriums, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, schauten gelangweilt zu. Jetzt erklärt die Bundesregierung, erst ein Innenrevisor der Bundesanstalt habe sie gleichsam als V-Mann auf die katastrophale Arbeitsweise der Behörde hingewiesen, die Milliarden verwaltet. Das ist lächerlich.
Durchgreifende Konsequenzen dürften dennoch nicht gezogen werden: Kanzler Schröder wird im Jahr vor den Wahlen an jedem noch so angeschlagenen Minister festhalten. Ein Rücktritt von Arbeitsminister Riester steht also nicht auf der Agenda. Und eine Reform der Arbeitsvermittlung, der von Riester angekündigte Wettbewerb der Vermittler, dürfte ebenfalls kaum auf die Schnelle durchgedrückt werden können – zu gewichtig, zu existenziell sind die damit verbundenen Fragen: Wer stellt bespielsweise sicher, dass sich die privaten Vermittler nicht nur um die gut vermittelbaren Hochqualifizierten kümmern? Ein Abschieben der weniger gut vermittelbaren Arbeitssuchenden an die Bundesanstalt als Reparaturbetrieb des gnadenlosen Arbeitsmarkts könnte wahlentscheidende Stimmen kosten.
So läuft alles auf einen Rücktritt des Anstaltspräsidenten Bernhard Jagoda hinaus. Der ist sicher auch überfällig – aber eben nicht mehr als ein Bauernopfer. ANDREAS WYPUTTA
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